Dickinsons drittes Soloalbum leidet in der Wahrnehmung vieler Rockfans bis heute unter durchwachsenen und inhaltlich völlig fehlgeleiteten Reviews der damaligen Zeit und ist kriminell unterbewertet. Als Produzent wurde Grunge-Ikone Jack Endino verpflichtet und alleine dessen Auswahl in Verbindung mit Dickinsons abgeschnittener Haarpracht brachte viele Musikkritiker dazu, dem Album den großen "Alternative Rock"-Stempel aufzudrücken - was bei vielen kopfbetonierten Rockern und Metallern dazu führte, die Platte erst gar nicht anzuhören und stattdessen die schöne Frischluft mit dem elendigen Gewürge von Verrat (am Metal, logisch) und Trendreiterei zu verpesten. Von Grunge oder Alternative Rock war auf "Skunkworks" damals wie heute nur wenig zu hören - und selbst wenn schon: wer im Jahr 2017 nochmal ein "Alternative Rock"-Album wie beispielsweise das Debut von Blind Melon auf den Plattenteller wirft, wird ob der Nähe zu sattem 70er Jahre Rock ungläubig mit den vermutlich am, Pardon: Arsch festgetackerten Ohren schlackern. Dickinson wollte nichtsdestotrotz mit der bereits beim Vorgänger "Balls To Picasso" eingeleiteten Entwicklung auch für "Skunkworks" den nächsten Schritt wagen und sich weiter emanzipieren - was mit Endino als Produzent, verändertem Aussehen und der nochmal weiter geöffneten stilistischen Ausprägung seiner Musik so radikal wie möglich ausfallen sollte. So gab er der Band, die ihn schon auf der Tour zu "Balls To Picasso" begleitete, den Namen Skunkworks und war so überzeugt von der Euphorie und der Motivation der blutjungen Musiker, dass er sogar seinen eigenen Namen vom Cover getilgt haben wollte. "Skunkworks" sollte also als Bandalbum, und nicht etwa als neues Soloalbum von Bruce Dickinson erscheinen, aber wie bereits in den vorangegangenen Jahren schob auch hier die Plattenfirma einen Riegel vor. Die Vermarktung des Produkts ist eben alles - und während ich das schreibe, schicken mir Maiden-Manager Rod Smallwood und -Bassist Steve Harris vermutlich gerade eine Postkarte von ihrem öchzig Trilliarden Kilometer langen Privatstrand in der Karibik, das Porto zahlt freilich der Empfänger.
Die Einlassung zur Vermarktung der Hülle stimmt selbst (magis: ganz besonders) dann, wenn der Inhalt dazu angetan sein dürfte, die vielen ehemals loyalen Stammfans zu verprellen. Über das Kreuz mit der Legion konservativer Rock- und Metalfans habe ich auf diesem Blog mehr als nur einmal geschrieben und unzählige Beispiele von Bands erwähnt, die nach erfolgter Umsetzung ihrer künstlerischen Freiheit von ihren Anhängern wie eine heiße Kartoffel fallen gelassen wurden, weil "You are free to do as we tell you." (Bill Hicks) - und bevor nun der nächste Kuttenheinz das große Wimmern anfängt, man kennt ja seine Pappenheimer: ich weiß, dass ich diesbezüglich nur zu gerne und wahrscheinlich übertrieben hart auf die armen kleinen Metaller einprügele und ich weiß auch, dass es in anderen Szenen nicht unbedingt besser aussieht. Wer will, kann ja mal Weezers Rivers Cuomo nach seiner künstlerlichen Entfaltung fragen; der freut sich ob seiner in Teilen gleichfalls schädellaminierten Anhänger, die immer wieder das gleiche Album von ihm hören wollen, bestimmt auch ein zweites Loch ins kalifornische Popöchen.
"Skunkworks" haftet dennoch bis heute dieser Alternative-Quatsch an und es geht sich partout nicht aus - vielleicht ergibt sich ja jetzt mit der Wiederveröffentlichchung die Möglichkeit, das Visier nach über 20 Jahren Quadratdoofheit doch nochmal neu zu justieren. "Skunkworks" ist das, was Matthias Breusch in seiner aktiven Zeit als Musikredakteur so gerne als "mit positiver Power aufgeladenes Kraftfutter" bezeichnet hätte: Frisch wie Morgentau, perlend wie Schampus, ein Punch wie ein vierfäustiger Mike Tyson, melodischer als Abba 1977. Perfekt von Endino als Frischzellenkur für einen alten Hasen inszeniert, ohne auch nur eine fucking Sekunde an der Peinlichkeitstür zu klopfen. Unterstützt von den jungen Wilden Alex Dickson (Gitarre), Chris Dale (Bass) und Alessandro Elena (Schlagzeug) trumpft Dickinson groß auf. Gerät der Einstieg mit "Space Race" noch etwas schaumgebremst, gibt es schon ab der folgenden Single "Back From The Edge" im Prinzip kein Halten mehr, dafür aber weitere Highlights wie "Inertia", "Solar Confinement", "Inside The Machine", "Meltdown" und "Octavia" - allesamt echte, großartig produzierte Hits.
Wer das auch 20 Jahre später immer noch nicht hören will oder kann, darf sich meinethalben total gerne off-fucken gehen.
Erschienen auf Raw Power, 1996.
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