ESPERS - II
Abteilung "Wiederentdeckung". Espers aus Philadelphia hatten es anfangs gar nicht mal so leicht, die Schutzmauer einzureißen, die ich angesichts vermeintlicher Musik für Menschen, die in Rüschenhemden zum Lidl gehen und Totenkopfaschenbescher auf dem Wohnzimmertisch stehen haben, hektisch errichtet hatte. Und so ganz ist es ihnen auch immer noch nicht gelungen, wenn auch mittlerweile nur noch die Grundmauern stehen. Die zarten Akustikgitarrenklänge, das entrückte Stimmchen von Meg Baird, das Robin Hood-Cello, das durch die Songs schleicht, die knisternde Lagerfeuerromantik - bei allem Respekt, aber unter normalen Umständen halte ich sowas nicht lange durch.
Mit der Zeit begann allerdings das Zwiebelprinzip für die Band zu arbeiten, und die Songs begannen, ihre ganze Pracht auszubreiten. Espers arbeiten auf dem Nachfolger ihres selbstbetitelten Debuts aus dem Jahr 2005 großflächig mit dem ewigen Gezerre der Gegenspieler Licht und Schatten, die sie allerdings so fein miteinander verweben, dass sie keine Gegner mehr sind, sondern Partner. In conclusio: Es ist neblig hier. Ein bisschen esoterisch. Die teilweise bis zu neun Minuten langen Songs zeigen einen kruden Mix aus traditionellem Folk, dunklem, obskurem Siebziger-Jahre Progressive Rock und spiritueller New Age Musik. In "Cruel Storm" legt man sogar eine astreine Nick Drake Performance auf den Laser, die einem fast die Freudentränen in die Augen treibt, sofern man sich von dem allzu tief in Hippiegeschunkel verorteten Opener "Dead Queen" lösen konnte. Dies sind die Kehrseiten einer Platte, die im Grunde viel Potential hat, es manchmal sogar ausschöpft und trotzdem Assoziationen hervorruft, für die ich im Grunde Amnesty International anfunken müsste. Trotzdem gefällt mir das heute alles bedeutend besser als früher. Woran's wohl liegen mag?
Würden der mittlerweile mehrheitlich auf Schlössern und Burgen umherspringende Richie Blackmore und die bezaubernd unwirkliche Elfe Loreena McKennith eine akustische, dreistündige Version von Deep Purples "Space Truckin" auf Psychopilzen 'runterhobeln, vielleicht kämen wir dann ziemlich genau zu dem, was Espers im faszinierenden "Dead King" erbauen, in dem es in der zweiten Hälfte sogar mal laut wird. Oder im reichlich offen und nach Jam-Session klingenden Mittelteil des programmatisch betitelten "Mansfield And Cyclops", bei dem Greg Weeks die Les Paul Gassi führen und mit Feedback herumlärmen darf. Je öfter ich "Espers II" hörte, desto mehr entdeckte ich die Tiefe und Spiritualität dieser Platte. Ich werde mit zunehmendem Alter auch irgendwie komisch.
Erschienen auf V2 Records, 2006.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen