GEORGIA ANNE MULDROW - SEEDS
Es war eine wirklich schwere Entscheidung, "Seeds" auf einen Platz außerhalb der diesjährigen Top Ten zu schieben. Ich erinnere mich daran, wie ich im Sommer 2012 wenigstens den Titeltrack in meiner gewohnt eloquenten Art in die Top 3 des Jahres und das vollständige Album in die "Scheißrein: Top 5, mindestens!" schrieb. Nun ist "Seeds" (sowohl, als auch) in den letzten vier, fünf Monaten ja sicherlich nicht schlechter geworden. Es gab nur eine Handvoll Konkurrenten, die einen Tick besser geworden sind. Trotzdem ist's irgendwie tragisch.
Um zu verstehen, wie das in den Sommermonaten gelaufen ist, muss man wissen, wie ich in jenen Zeiten meine Wochenenden verbringe. Besonders die Samstage sind heilig; vor 12 Uhr sieht man mich nur selten zum Bäcker für frische Brötchen wackeln und vor 14 Uhr erhebe ich mich mit der Herzallerliebsten erst gar nicht vom Frühstückstisch. Danach umwehen mich im leicht mit Jalousien abgedunkelten Wohnzimmer die Frische von Acqua di Parmas "Colonia"-Klassiker und die sanfte Brise, die sich durch das gekippte Fenster zu mir entlangwürmelt. In diesem Setting werden dann also die neuesten Platten aufgelegt, dazu reicht die Redaktion "schwarzen, heißen Kaffee, Junge. Richtig dunkelschwarzen, leckeren, kochend heißen Kaffee. Alde." (Picard). Das geht in aller Regel bis zum Abend so, und wenn es besonders entspannt am Bein entlangläuft, wechsle ich in der schwülen Hitze der Nacht zum eiskalten Cuba Libre. Am Ende des Tages steht ein perfekt verbrachter Tag auf der Rechnung und bevor mir jemand Stubenhockerei vorwirft: ich gehe doch nicht raus und treffe Menschen, "jetzt bleibense mal ernst." (Helmut "Pizza Mampf" Markwort).
"Seeds" ist die bestmögliche Platte für einen solchen Tag. Dafür sorgt zum einen das unnachahmliche Beatgestrüpp der Hip Hop-Tausendsassa Otis Jackson, Jr., besser bekannt unter einem seiner unzähligen Pseudonyme Madlib, ein durchgedrehter Vollfreak, der nicht nur gefühlt 187 Instrumente beherrscht und im Jahr mal eben bis zu zehn Platten veröffentlicht, darunter auch Jazz- und Fusionwerke, zu denen er sich fiktive Namen von gleichfalls fiktiven Mitmusikern ausdenkt. Nur, damit wir uns ansatzweise verstehen, was das für ein Typ ist. Für "Seeds" hat er einen oldschooliges Soul & Funk Gebräu zusammengerührt, das Muldrow, besonders in Verbindung mit ihren spirituellen, gesellschaftsbeobachtenden und -aufrüttelnden Texten, zu einer legitimen Nachfolgerin einer Nina Simone macht. In einer Beschreibung zu "Seeds" gab es mal die Bezeichnung "Underground R'n'B" zu lesen und tatsächlich: dieses deepe, aufrichtige Album könnte von den austauschbaren, auf Hochglanz polierten, aufgepumpten und "here today, gone tomorrow"-Produktionen aus den US-amerikanischen Majorstudios nicht weiter entfernt sein. Hier liegen keine Welten dazwischen, es sind Universen.
Dabei ist Muldrow ähnlich wie Madlib eine Verrückte: die Anzahl ihrer Produktionen, sei es in Funktion als Produzentin, Sängerin, Beatbastlerin oder Texterin ist trotz ihres Alters von gerade mal 29 Jahren bereits Legion und es ist beinahe unmöglich, alles von ihr zu kennen. Trotzdem ist "Seeds" das stimmigste, ernsthafteste und schlicht coolste Album, das ich von ihr kenne. Ich werde die Sommermonate 2012, die ich mit dieser Platte verbrachte, nicht vergessen.
Und der Titeltrack ist schon heute ein Klassiker.
Erschienen auf Someothaship, 2012.
Um zu verstehen, wie das in den Sommermonaten gelaufen ist, muss man wissen, wie ich in jenen Zeiten meine Wochenenden verbringe. Besonders die Samstage sind heilig; vor 12 Uhr sieht man mich nur selten zum Bäcker für frische Brötchen wackeln und vor 14 Uhr erhebe ich mich mit der Herzallerliebsten erst gar nicht vom Frühstückstisch. Danach umwehen mich im leicht mit Jalousien abgedunkelten Wohnzimmer die Frische von Acqua di Parmas "Colonia"-Klassiker und die sanfte Brise, die sich durch das gekippte Fenster zu mir entlangwürmelt. In diesem Setting werden dann also die neuesten Platten aufgelegt, dazu reicht die Redaktion "schwarzen, heißen Kaffee, Junge. Richtig dunkelschwarzen, leckeren, kochend heißen Kaffee. Alde." (Picard). Das geht in aller Regel bis zum Abend so, und wenn es besonders entspannt am Bein entlangläuft, wechsle ich in der schwülen Hitze der Nacht zum eiskalten Cuba Libre. Am Ende des Tages steht ein perfekt verbrachter Tag auf der Rechnung und bevor mir jemand Stubenhockerei vorwirft: ich gehe doch nicht raus und treffe Menschen, "jetzt bleibense mal ernst." (Helmut "Pizza Mampf" Markwort).
"Seeds" ist die bestmögliche Platte für einen solchen Tag. Dafür sorgt zum einen das unnachahmliche Beatgestrüpp der Hip Hop-Tausendsassa Otis Jackson, Jr., besser bekannt unter einem seiner unzähligen Pseudonyme Madlib, ein durchgedrehter Vollfreak, der nicht nur gefühlt 187 Instrumente beherrscht und im Jahr mal eben bis zu zehn Platten veröffentlicht, darunter auch Jazz- und Fusionwerke, zu denen er sich fiktive Namen von gleichfalls fiktiven Mitmusikern ausdenkt. Nur, damit wir uns ansatzweise verstehen, was das für ein Typ ist. Für "Seeds" hat er einen oldschooliges Soul & Funk Gebräu zusammengerührt, das Muldrow, besonders in Verbindung mit ihren spirituellen, gesellschaftsbeobachtenden und -aufrüttelnden Texten, zu einer legitimen Nachfolgerin einer Nina Simone macht. In einer Beschreibung zu "Seeds" gab es mal die Bezeichnung "Underground R'n'B" zu lesen und tatsächlich: dieses deepe, aufrichtige Album könnte von den austauschbaren, auf Hochglanz polierten, aufgepumpten und "here today, gone tomorrow"-Produktionen aus den US-amerikanischen Majorstudios nicht weiter entfernt sein. Hier liegen keine Welten dazwischen, es sind Universen.
Dabei ist Muldrow ähnlich wie Madlib eine Verrückte: die Anzahl ihrer Produktionen, sei es in Funktion als Produzentin, Sängerin, Beatbastlerin oder Texterin ist trotz ihres Alters von gerade mal 29 Jahren bereits Legion und es ist beinahe unmöglich, alles von ihr zu kennen. Trotzdem ist "Seeds" das stimmigste, ernsthafteste und schlicht coolste Album, das ich von ihr kenne. Ich werde die Sommermonate 2012, die ich mit dieser Platte verbrachte, nicht vergessen.
Und der Titeltrack ist schon heute ein Klassiker.
Erschienen auf Someothaship, 2012.
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