14.01.2009
Platz 14
By Any Means - Live At Crescendo
Bass William Parker. Schlagzeug Rashied Ali. Saxofon Charles Gayle. "We are By Any Means."
Was im Juni 2006 mit einer Aufnahme in New York begann und nicht vollendet wurde, kommt mit "Live At Crescendo" und einem umjubelten Auftritt in Schweden nun doch zu einem vorläufigen Abschluss. Charles Gayle bat nach dem Durchhören der New Yorker Aufnahme darum, sie nicht zu veröffentlichen: er spürte, dass seine Soloparts nicht die gewünschte Struktur aufwiesen. Sein Anspruch war damit nicht erfüllt. Ein gutes Jahr später stiegen die drei Musiker erneut gemeinsam auf die Bühne, diesmal im schwedischen Crescendo-Club. Das Ergebnis ist die möglicherweise undurchdringlichste Platte des Jahres. Und Charles Gayle scheint zufrieden.
Ich werde vielleicht erst in ein paar Jahren wirklich erfassen können, was mich in diesen gut einhundert Minuten Jazz förmlich überrollt. Gerät der Einstieg mit "Zero Blues" und "Hearts Joy" noch etwas hölzern, haben sich Parker, Gayle und Ali spätestens im fantastischen "We Three" gefunden. Das Brodeln beginnt. Schwere Geschütze. Blues. Roots. Schmerz, Euphorie, Leid. Jeder spannt die Fäden zum nächsten, lässt sie unterwegs ins Leere laufen und vom anderen wieder aufnehmen. Diese Verstrickungen machen wahnsinnig: was spielt Rashied Ali da eigentlich GENAU? Lenkt man die eigene Aufmerksamkeit ausschließlich auf ihn, stellt man zwei Dinge fest. Erstens: er kann unmöglich alleine erfasst werden; Parker und er scheinen das Hase und Igel-Spiel zu spielen. Zweitens: sein Drum-Dickicht ist die schleierhafteste Nebelsuppe seit Langem. Er dröhnt, reißt Töne der anderen Musiker auseinander und platziert sich selbst in einer scheinbar willkürlichen Zeit, an einem scheinbar willkürlichen Ort. Ali strickt sich ein ganzes Universum an Hauptquartieren, unterirdischen Kommunikationsleitungen, überirdischen Stromkabeln (Strom!) und Zentren außerkörperlicher Erfahrung.
Darüber improvisieren Parker und Gayle, letztgenannter mit zerfetztem Ton und erstaunlicher Wendigkeit. Er klingt chaotisch, wild, suchend, manchmal gar verzweifelt. Parker hingegen lebt die Offenheit in seinem Spiel. Er errichtet in seinen weitläufigen Soli die Infrastruktur zu Rashied Alis Nervenzentren.
"Live At Crescendo" ist damit zweifellos ein schwerer Brocken. Die Glücksgefühle, die bei der Arbeit mit Hammer und Meißel zu erfahren sind, entschädigen für die Mühe. Es lohnt sich.
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