14.02.2015

2014 ° Platz 6 ° Deepchord - Lanterns



DEEPCHORD - LANTERNS


Herausragende Dub Techno-Alben sind rar. Auf das erste Hören drohen die meisten Veröffentlichungen nicht gerade vor Komplexität und Tiefe zu bersten, und wer nicht alle Ohren aufsperrt und die Auseinandersetzung sucht, dem wird grundsätzlich nicht besonders viel einfallen, was über das niederschmetternde Urteil "Fahrstuhlmusik" hinaus geht. Und selbst bei umfangreicher Beschäftigung bleibt oft ein fades Gefühl von Ideenlosigkeit zurück. Ich hatte vor einigen Wochen "Lanterns" als das beste Dub Techno-Album des abgelaufenen Jahres bezeichnet und bereits hektisch mit dem Zaunpfahl gewinkt, dass wir im Zuge der Rückschau einen ähnlichen Satz Anfang 2015 nochmal hier lesen werden. Was hiermit abgehakt werden kann. Denn "Lanterns" ist auf vielen Ebenen ein sehr erfreuliches Werk geworden.

Das kann aber aus meinem Musiksessel heraus nur deshalb abgehakt und hinaustrompetet werden, weil ich mich besonders in den letzten Tagen nochmal ausgiebig um "Lanterns" gekümmert habe. Die glitzernde Fassade, die das Londoner Label Astral Industries um diese Veröffentlichung aufgezogen hat, mag zunächst den Blick vernebeln: ein handgezeichnetes Cover im aufklappbaren, schweren Karton, ein großes Poster mit dem Artwork, zwei Vinylbrocken zu je 180g als Crystal-Edition mit blauen Schleiern auf der einen, und roten Schleiern auf der anderen Scheibe. Dazu gibt's handmasturbierte Exklusivität: es wird niemals einen Repress und niemals eine digitale Version von "Lanterns" geben, sagt das Label - neben MP3 beziehungsweise FLAC fallen also auch CDs flach. Dafür mussten satte 40 Euro gezahlt werden. Unter normalen Umständen packt man sich ja an den Kopf. 

Die Kopfschmerzen lassen nach, wenn der erste Durchgang von Rod Modells erster LP für Astral Industries durch die Denkvorrichtung gezogen ist. Ich höre "Lanterns" nun seit über einem halben Jahr regelmäßig und entdecke bei jeder Wiederholung etwas Neues in dem Kosmos von dürren Verästelungen und schwelenden Glutnestern, und jedes neu hinzukommende Element scheint die Dechiffrierung dieser Musik zu erschweren. Ich war schon oft auf der vermeintlich falschen Fährte, was gemessen an der Komplexität von "Lanterns" nicht weiter verwundert, aber die Endgültigkeit bleibt rätselhaft. Wo sich die ehemals erwähnten Alben von Voices From A Lake, Segue oder Conforce sehr bildhaft entwickeln und ihre Darstellung von Klang stets eng mit Erzählungen und Geschichten verbunden ist, erscheint mir "Lanterns" mittlerweile zwielichtig und in seiner unbeweglichen Morbidität beinahe unheimlich. Ich schrieb im November vom "ziellosen Weg durch den Untergrund der Großstadt", was das Gefühl nach wie vor angemessen beschreibt, das dazu passende Bild jedoch ist ausgegraut und an manchen Stellen schlicht erloschen. Ein Denkmal ohne Geschichte. 





Erschienen auf Astral Industries, 2014.

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