Eine reichlich mysteriöse Thrash Band aus der zweiten Hälfte der achtziger Jahre ist diese aus New Jersey stammende Formation. Alleine der Bandname und das furchtbare Cover von "Fantasy Or Reality" sind eigentlich ein gutgemeinter Hinweis darauf, einen weiten Bogen um diese Veröffentlichung zu machen, aber weit gefehlt: dieses 1987 erschienene Debut von Fantom Warior entpuppt sich als ganz klassischer Vertreter authentischen Thrash Metals mit großartigem Riffing und schnodderigen, leicht an Overkills Blitz erinnernden Vocals. Die New Yorker Institution ist darüber hinaus auch hinsichtlich der Songs kein schlechter Vergleich. Insbesondere der Rausschmeißer "Kill Rip Destroy" erinnert in der ausufernden Anlage an die immer leicht pathetischen "Overkill"-Feger oder auch an das erste, fantastische Hallows Eve-Album "Tales Of Terror". Vereinzelt lassen sich ergänzend dazu ein paar punkige Fetzen im Sound erkennen, die einen an frühe Nuclear Assault oder auch frühe Anthrax denken lassen ("Don't Criticize") und dem sympatischen Spirit dieser Scheibe natürlich bestens in die Karten spielen. Flüssiger, zügig auf den Punkt gespielter Thrash Metal, hörbar von der Ostküste der USA, der ohne ziellose Riffkaskaden auskommt und hier und da gar an klassischen US-Metal erinnert.
Leider ist der Sound von "Fantasy Or Reality" recht bescheiden, echte Genre-Fans werden jedoch angesichts von Killertracks wie "Final Call" oder "E.R.C." gerne darüber hinwegsehen.
16.10.2009
Fantom Warior - Fantasy Or Reality (1987)
15.10.2009
Sacrament . Haunts Of Violence (1992)
Da war ich jahrelang der Auffassung, dass die Reihenfolge der zehn besten Thrash-Platten aller Zeiten eigentlich seit spätestens 1995 tief in mein angestaubtes Metal-Fundament einzementiert ist und plötzlich trifft mich dieses Album mit der sprichwörtlichen Wucht einer Abrissbirne und ich weiß: da muss ich nochmal nachdenken. "Haunts Of Violence" von den Christenthrashern Sacrament erhielt von classicthrash.com - das Paradies für jeden (Underground) Thrash-Fan - die Auszeichnung "the best thrash metal release that most people never heard of" und könnte tatsächlich die Nachfolgescheibe zu Forbiddens "Twisted Into Form" sein, wenn man deren Hitpotential mal ausblendet. Für einen Hit ist "Haunts Of Violence" viel zu vertrackt, viel zu technisch. Ein wahnsinniges Riffmassaker reiht sich an das nächste, die schwindelerregenden Breaks sind für selbst für geübte Ohren harter Tobak und nur dann nachvollziehbar, wenn man sich wirklich voll auf dieses Thrashfest einlassen mag. Dazu passt die knochentrockene, brettharte Produktion, die ihren Teil dazu beiträgt, dass Sacrament das Intensitätslevel über die gesamte Spielzeit am oberen Limit halten können. Das ist zweifellos anstrengend, aber es ist auch unfassbar geil.
"Haunts Of Violence" von Sacrament ist 1992 auf R.E.X. Records erschienen.
14.10.2009
Swineflu Over The Kuckucksnest
Wir unterbrechen unsere Übertragung für eine wichtige Mitteilung.
Blitz a-t vom 25.8.2009:"Schweinegrippe: Alles im Griff? (I)"
Blitz a-t vom 25.9.2009:"Schweinegrippe: Alles im Griff? (II)"
Und wie es der Zufall will, wurde mir just heute Morgen dieses Video von Youtube empfohlen:
Wie das mit den beiden obigen Dokumenten in Zusammenhang steht? Ich habe nicht die leiseste Ahnung. Wirklich.
11.10.2009
Overthrow - Within Suffering (1990)
Ein wunderbar rohes Stück blutigen Hi-Speed-Thrash Metals aus Kanada mit einer bewährt brutalen Produktion von the one and fucking only Scott Burns aus den Morrissound Studios in Tampa, Florida. Ich dachte nicht, dass ich tatsächlich nochmal ein derart obskures Juwel hören darf, bei denen Burns seine Finger im Spiel hatte, aber "Within Suffering" ist ein solch seltener Fall. Und er leistete auch hier selbstverständlich ganze Arbeit. Overthrow liefern dem Mann allerdings auch eine hervorragende Vorlage: an extreme Sadus-Bolzereien erinnerndes Gebretter mit weitgehend simplen, aber ungemein effektiven Riffs, eine höllische Geschwindigkeit und aggressive, rauhe Schreivocals von Nick Sagias, die "Within Suffering" in die Nähe der ersten Demolition Hammer-Großtat "Tortured Existence" und damit folgerichtig in das Grenzgebiet von Thrash und Death Metal rücken. Die Unbekümmertheit des Quartetts und die schiere Raserei der Musik sind neben der Produktion die beiden größten Pluspunkte dieses Albums. Im Dezember 2007 wurde "Within Suffering" von NHR Records neu aufgelegt und zusätzlich mit dem "Bodily Domination"-Demo aus dem Jahr 1989 versehen. Da die Originalversion auf Epidemic Records nur sehr schwer auf zu treiben ist, eine durchaus lohnenswerte Anschaffung.
"Within Suffering" von Overthrow ist 1990 auf Epidemic Records erschienen.
10.10.2009
Hellbastard - Natural Order (1990)
Britischer Thrash Metal konnte qualitativ nur selten vollends überzeugen und fristete damals wie heute ein Außenseiterdasein. Die bekanntesten (und besten) Vertreter waren sicherlich Onslaught, Sabbat und die immer wieder unterbewerteten Xentrix, die zweite Reihe mit Formationen wie Slammer, Acid Reign oder D.A.M hatte außerhalb Britanniens nur wenig zu melden. Das hätte alles anders laufen können, wenn die ursprünglich aus der Punk und Hardcore-Szene stammenden Hellbastard etwas mehr Glück gehabt hätten und stilistisch etwas berechenbarer gewesen wären. Ihr drittes Album "Natural Order" aus dem Jahr 1990 ist mit seinem reinrassigen, an Bay Area-Großmeister angelehnten Thrash Metal sozusagen das Außreißer-Album der Band, die ansonsten einen weiten Bogen um diesen Sound machte. Ironischerweise handelt es sich zumindest in meinen Ohren bei diesem "Betriebsunfall" um eines der fünf geilsten britischen Thrash-Scheiben aller Zeiten, und ich war bereits beim ersten Durchlauf völlig baff, wie es mir möglich war, dieses wirklich überdurchschnittliche Album jahrelang zu übersehen. Die Gitarrenarbeit ist insbesondere hinsichtlich der Soli locker reif für die Champions League, im Rhythmusbereich regiert ein nachhaltiges, stringentes Riffing mit vielen kleinen Details und einem überfließenden Ideenreichtum, hinzu kommt eine absolute state-of-the-art-Produktion, die umso mehr wiegt, wenn man das Aufnahmejahr bedenkt. "Natural Order" ist in seiner ganzen Ausstrahlung eine fast perfekte Symbiose aus erfrischender Schlichtheit und souveräner Raffinesse.
Hellbastard haben sich 2007 reformiert und spielen heute als "legendary metal crust punks" sogar US-Touren. Man lernt nie aus.
"Natural Order" von Hellbastard ist 1990 auf Earache erschienen.
09.10.2009
Acridity - For Freedom I Cry (1991)
Zu einer kleinen Überraschung hat sich diese kleine Platte entwickelt. Ursprüglich 1988 aufgenommen, aber erst 1991 veröffentlicht, teilen auch Acridity das Schicksal vieler Bands aus der fünften oder sechsten Reihe, die mit ihrer Musik ein paar Jahre zu spät dran waren und in der Folge keine Aufmerksamkeit mehr erhielten. "For Freedom I Cry" ist ein unerwartet intensives Album, das etwas unter seiner zu leisen und dünnen Produktion leidet, aber einige bärenstarke Thrasher mit dichtem Riffing und "...And Justice For All"- Melodieläufen bietet. Selbst der Gesang von Darrin Carroll erinnert hier und da entfernt an James Hetfield. Zu Beginn meiner Auseinandersetzung mit "For Freedom I Cry" hätte ich das Album nicht unbedingt als besonders herausragend bezeichnet, selbst wenn ich den Enthusiasmus und den Charme von Acridity schon früh nur schwerlich übergehen konnte. Nach einer Handvoll Durchläufen jedoch wurde ich angesichts großartiger Songspassagen und gar nicht mal unoriginellen Riffs immer öfter hellhörig. Mit einer besseren Produktion und dem tatsächlichen Release im Jahr 1988 hätte die Band aus dem texanischen Corpus Christi sicherlich mehr reißen können.
06.10.2009
The Crucified - The Crucified (1989)
Im Zuge des Thrash Revivals mit jungen Bands wie Municipal Waste oder Fueled By Fire könnten die Christen-Thrasher von The Crucified heute etwas mehr Aufmerksamkeit erhalten als zur Zeit Ihres Bestehens. Die Wiederveröffentlichung ihrer beiden Alben (neben dem selbstbetitelten Debut erschien zwei Jahre später der Nachfolger "The Pillars Of Humanity") in einer Box mit unveröffentlichtem Material und beiliegender Live-DVD ist sicherlich ein guter Anreiz, sich im Jahr 2009 mit dem Quintett erstmals zu beschäftigen. Zumal ihr Sound heute durchaus wieder gefragt ist: The Crucified stürmen auf ihrem Debut durch vierzehn rasende Thrashcore-Attacken, die etwas weniger chaotisch als die Songfetzen von Cryptic Slaughter sind, qualitativ aber locker auf D.R.I. oder auch Acrophet(!!!)-Niveau liegen. Einzig Sänger Mark Salomon fällt mit seinem seltsam komprimiert klingenden Organ manchmal etwas ab, was durch die Masse an stürmischen Riffs mit Slayer-Touch aber locker wettgemacht wird. Und auch wenn der Sound durchaus mehr Schmiss und weniger Vakuum vertragen könnte: es riecht nach Schweiß, Moshpits und gebrochenen Nasen. Gott mit Dir!
"The Crucified" ist 1989 auf Tooth And Nail Records erschienen.
05.10.2009
Verstaubt & Liegengelassen
- Musik, die keine Sau interessierte
Früher oder später musste es ja so kommen. Ich oute mich hiermit als Anhänger des klassischen Thrash Metal aus der Zeit von 1985 bis 1993 und bekenne, dass meine Faszination für diesen Stil bis heute ungebrochen ist. Genau genommen befindet sie sich seit etwa drei Jahren sogar auf dem Höhepunkt, was sich besonders darin äußert, dass ich meine Thrash-Sammlung seit jener Zeit "sukzessive" (Bruno Labbadia) ausbaue und mit einiger "Wonne" (Veronica Ferres) tief in Internet-Archiven und längst vergessenen Labelkatalogen wühle, um übersehene oder aus dem Gedächtnis gestrichene Perlen dieses Genres zu entdecken. Das führt ab und an zwangsläufig zu kleinen Dummheiten, wenn es etwas kostspieliger wird als erwartet, aber der daraus gewonnene Spaß ist sowieso unbezahlbar.
Vor einiger Zeit entstand vor diesem Hintergrund die Idee, die zehn besten "ungehörten" Thrash-Alben dieser Epoche zu präsentieren. Die Genre-Klassiker wie Dark Angels "Darkness Descends" oder Slayers "Reign In Blood" sind in den letzten 20 Jahren bereits zur Genüge (tot)diskutiert worden, also erschien mir das als wenig lohnenswert. Aber wer kümmert sich um die vergessenen, die Anti-Klassiker? Ich streifte also mein Thrashman-Supercape über und sprang aus dem Fenster.
Unten angekommen musste zunächst der Rahmen definiert werden. Wer ist "ungehört"? Wer ist vergessen? Und habe ich wirklich zuviel Zeit, wenn ich mir jetzt ein Projektmodell ausdenke? Absolut!
Erste Reihe, auch bekannt unter dem Namen "Die großen 4", unantastbar, einzementiert, selbst wenn es aus heutiger Sicht bei drei dieser vier Bands ja völlig absu*auf die Faust beiß*: Slayer, Metallica, Anthrax, Megadeth
Zweite Reihe: Exodus, Testament, Forbidden, Overkill, Dark Angel u.a.
Dritte Reihe: Xentrix, Sadus, Devastation, Sacrifice u.a.
Vierte Reihe: Mortal Sin, Wargasm, Cyclone Temple, Forced Entry u.a.
Disclaimer, bitte keine Morddrohungen schicken, lieber zu Hause darüber diskutieren: die kleine Auflistung soll keine Qualitätsabstufung darstellen, sondern in erster Linie eine Kategorisierung hinsichtlich des subjektiv gefühlten Bekanntheidsgrads der genannten Thrashbands erlauben. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Diese vier Reihen waren also für mein kleines Projekt tabu. Was mich interessierte waren die nachfolgenden Reihen fünf und sechs - wenn man sich anstrengt und beispielsweise Bands mit einbezieht, die ausschließlich Demo-Veröffentlichungen vor zu weisen haben und nicht über dieses Stadium hinaus gekommen sind,kann man sicher noch eine siebte und achte und neunte und zehnte Reihe entwickeln, aber dann stehen wir am Ende in einer Pisspfütze in Süd-Arkansas und schauen Mini-Amöben beim Musizieren zu. Außerdem wird dann mein Cape dreckig. Also lasse ich den Vorhang nach der sechsten Reihe fallen. Ich hoffe, das geht für Dich in Ordnung?! Ja? Na, ist doch super!
Als nächsten Schritt ging es um eine entsprechende Eingrenzung der in Frage kommenden Platten und die anschließende Auswahl, die mich eigentlich am meisten Nerven kostete. Wer darf mit, wer muss draußen bleiben? Vielleicht werde ich die (nun wahrscheinlich endgültig vergessenen) restlichen Werke in einiger Zeit nochmal gesondert vorstellen.
Für die nächsten Tage gilt jedoch: die Top Ten der vergessenen Thrash-Perlen! Live! In Farbe!
Nobody really gives a damn, but me!
*standing ovations*
30.09.2009
Du Darfst
Mokira - Persona
Die ersten Minuten von "Persona" kommen meiner sprichwörtlichen Traumvorstellung von Ambient ziemlich nahe und lassen sich in Teilen durchaus mit Vladislav Delays "Whistleblower" aus dem Jahr 2007 vergleichen. Auch wenn Andreas Tilliander auf das erste Hören weniger Kratzer und Risse einsetzt und erst mit zunehmender Spieldauer etwas lebhafter wird, sind es in erster Linie die warmen Sounds, die mich wie Wellen langsam und sanft umspülen und in dieser Hinsicht an Delays Meisterwerk erinnern. Das klingt toll, und ich hätte absolut nichts dagegen, mit diesem Sound auf den Ohren entweder ein zu schlafen, oder ihn tagelang in Endlosschleife um mich herum zu haben. Das ist gar so einschmeichelnd und im besten Sinne einlullend, dass ich erst nach Minuten bemerke, wie sich die Platte verändert hat. Da ist plötzlich ein Bass, und ich weiß auch nach mehreren Durchläufen ums Verrecken nicht, woher der gekommen ist. Er spielt ein wenig mit einem Rhythmus, gibt einen kleinen Beat vor. "Persona" wird an dieser Stelle zum ersten Mal ein Stückchen konkreter und gibt eine schemenhafte Richtung vor.
Tilliander bleibt bei dieser Richtung und weitet sie in den folgenden Tracks noch aus. Der pulsierende Unterwasser-Bass gibt den Herzschlag zu sirrenden Obertönen und geloopten Feedbacks, eine Kombination, die "Persona" überraschend hell und entmystifiziert erscheinen lässt. Und spätestens mit dem klinischen "Oscillations And Tremolos" ist jeder Schleier, jede Dunkelheit und jeder Zweifel verschwunden. Ironischerweise passiert das mit einem Stück, der angesichts seines im Vergleich eher schroffen Klangs den Schleier über die ganze Platte werfen könnte - und es letztendlich auch tut. Hier verzettelt sich Tilliander für meinen Geschmack ein wenig, "Persona" wirkt nicht mehr schlüssig und das abschließende "Invitation To Love" geistert wie eine halbfertige und nicht ernstgemeinte Remeniszenz an die Anfangsminuten umher, nur um irgendwie noch die Kurve zu kriegen.
Ich lege "Persona" nichtsdestotrotz immer noch sehr gerne auf.
"Persona" von Mokira ist 2009 auf Type erschienen.
17.09.2009
Tango Fandango
The Life And Times - Tragic Boogie
Auch wenn ich nun schon mehrfach auf dieses wundersame Trio aus Kansas aufmerksam machte: ich könnt' schon wieder. Und mit Verlaub: ich tu's auch schon wieder. Nur kurz immerhin, aber ich kann nicht anders.
"Tragic Boogie" ist Musik aus einer anderen Zeit. Ins Musikjournalisten-Gequalle übersetzt hieße das wohl sowas wie "Sie stehen über der Zeit". Aber wer will sowas schon lesen? Sie? Ich nicht. Andreas "Kanzler" Kohl vom Exile On Mainstream-Label jedenfalls frohlockte neulich über das Jesus Lizard-Konzert in Berlin "Solche Bands werden heute einfach nicht mehr gebaut.", und ich könnte dasselbe über The Life And Times sagen. Ihre komplette Herangehensweise an ihren mit einiger Dramatik aufgeputschten Indierock ist getränkt mit 80er- und 90er-Jahre-Ästhetik: komplex, melancholisch, verweht. Dass das verwehte Element auch daher rührt, dass der Sound nicht zu knapp Volumen mit sich herumträgt und sich gefühlte 180 Gitarrenspuren die Klinke in die Hand geben, bon. Aber sie vergessen den Song dahinter nicht. Diese musikalischen, ich sag's jetzt einfach mal, weil's halt so doll richtig ist: Meilensteine schälen sich ganz zielsicher aus dem dichtesten Geknäuel empor und präsentieren sich besonders auf der komplett anbetungswürdigen B-Seite mit der Strahlkraft ganzer Säuglingsstationen. Ein behutsamer Aufbau, der den Weg als Ziel definiert, der sich gar nicht weiter aufblähen muss, weil die Stimmung es sowieso richten wird. Dann schlängelt sich "The Lucid Dream" eben mal minutenlang in einer rotglühenden Lavazunge unter der Erde entlang. Und Dir bleibt nichts anderes über, als bei 'ner Tasse Tee (ich weiß, es ist furchtbar klischeehaft, aber da müssen wir jetzt "gemeinsam"(A.Merkel) durch) die Augen zu schließen und - ja mein Gott, lass' es Dir halt gut gehen.
"Tragic Boogie" von The Life And Times ist 2009 auf Hawthorne Street Records erschienen.
16.09.2009
12.09.2009
Schinken Aharattamattatatamtamtam
Spain - The Blue Moods Of Spain
Ein kleines Schmuckstück aus der Indiewelt: Josh Hadens Spain-Debut "The Blue Moods Of Spain" aus dem Jahr 1995 findet sich seit einigen Wochen regelmäßig im Player wieder. Warum also nicht ein paar Zeilen darüber bloggen, hm? Frage ich Sie!
Der Sohn des Jazz-Bassisten Charlie Haden (u.a. Keith Jarrett, Ornette Coleman) hat hier eine neun Songs umfassende Sammlung von dunklen, melancholischen Schleichfetzen aufgenommen, die zur großen Überraschung eigentlich in jeder meiner Lebenslagen funktionieren. Vor allem - riesige Überraschung - zur Nacht jedoch entfalten sich die sehr intimen Aufnahmen vollständig: eine angenehme, sanft dahinfließende Welle von Wohlklang, optional eine große Wolke Prozac, auf der man sich nackt und in Butterschmalz eingerieben verlustiert, vorzugsweise mit adäquatem Sexualpartner. Grob gesagt: Fickmusik für Suchtgestörte.
Nur die weniger gutgelaunten würden mit Begriffen wie "Monoton, öde und sacklangweilig" herumprotzen, aber die hören sowieso alle nur Onkelz und Wahlkampfreden von Angela Merkel und sind somit zu vernachlässigen. Wir Genießer vom Fach (Rumkugel, Sahne-Leberwurst, vermoderte Kniekehlen) indes kochen uns nachts um 3:00 Uhr nochmal 'ne schöne Kanne Stechapfeltee und starren wie in Stahlbeton eingesaugt in den mit Lack übergossenen Sternenhimmel, während die meist überlangen Tracks sich mit uns in die Lüfte schwabbern. Die beiden Highlights "World Of Blue", mit gerade mal vierzehn Minuten ein echter Smash-Hit, und das sogar von Johnny Cash gecoverte "Spiritual" (nicht, dass es ein Qualitätsmerkmal wäre, von Johnny Cash gecovert zu werden, aber ich habe noch 'ne Klammerbemerkung gebraucht und außerdem genug Nihilismus oder weiß ich was in mir, hier an dieser Stelle zu staten, dass keine Sau, also wirklich gar keine, irgendetwas von Johnny Cash hören, geschweige denn mögen muss, wüähä), reichen im Grunde für einen Rundflug völlig aus, das restliche Material ist schmückendes Beiwerk, das erst bei der Gesamtbetrachtung eine Rolle spielt. Die Platte ist furchtbar stimmig, die Songs hervorragend arrangiert, und es war 1995 sicherlich alles andere als "in", eine derart ruhig-sedierte Musik auf einen Markt zu hauen, der mit Alternative Rock und Crossover-Pissflitschen - natürlich nenne ich keine Namen, ich bin schließlich ein seriöser Blogger, der für Vodafone wirbt! - überfüllt war. Auch heute noch gewinnt "The Blue Moods Of Spain" genau aus dieser Haltung heraus sein Alleinstellungsmerkmal (OHO!) und seine Faszination (AHA!)
Eine kleine Platte mit großer Wirkung (TSEHE!).
"The Blue Moods Of Spain" von Spain ist 1995 auf Restless Records erschienen.
06.09.2009
38 Stunden
Dirk:"Wassen das?"
Flo:"Die neue Magnum."
Dirk:"Klingt doch gut."
Da lief gerade der Opener "Rocking Chair" dieser neuen Magnum-Platte, und ich war wenigstens skeptisch. Gut, als 13-jähriger hat man so manchen Aussetzer im Oberstübchen zu verkraften, und ich behaupte auch nicht, dass ich damals auch nur 20% der von mir gehörten Musik gerafft hätte - aber solche Erkenntnisse fallen einem ja immer erst ein paar Jahre später ein beziehungsweise auf. Als zwei Jahre zuvor das Cover von Magnums "Wings Of Heaven", dem Vorgänger zu "Goodnight L.A.", an Dirks Stereoanlage lehnte, war mein erster Gedanke tatsächlich jener, ob dieser schnauzbärtige Privatdetektiv aus Hawaii nun auch noch Musik machte, verbunden mit der Frage, wie die denn dann klänge, würde man mir die Frage mit einem "ja" beantworten. Natürlich beantwortete mir niemand diese Frage, weder mit einem "ja", noch mit einem "nein"; wie man sich in angemessener Weise zum Affen macht, wenn man zuviel Blödsinn denkt und ihn dann fatalerweise auch noch ausspricht, hatte ich in sechs Jahren Schulkarriere schon ausreichend geübt, also behielt ich diesen - wenn ja auch irgendwie niedlichen - Blödsinn ausnahmsweise für mich. Bei dem Weg: ist es nicht erstaunlich, wie lange es schon diese dämliche Eisspezialität mit Holzstiel gleichen Namens gibt?
Aber nun zu etwas völlig anderem.
Ich war also skeptisch, genau genommen kann ich mich noch daran erinnern, dass ich "Rocking Chair" beim ersten Durchlauf sogar ziemlich dämlich fand, was in erster Linie wohl an dieser seltsamen Rhythmik des Gitarrenriffs lag, nebst der eingesetzten Congas, Bongos und/oder Kofferraumdeckeln (Audi 80). Und das immer noch feist wirkende Grinsen auf Dirks Gesicht ließ gleichfalls nicht Gutes erahnen. Ich kannte diesen Blick und dieses Grinsen. Nämlich. Das bekam ich auch dann zu sehen, wenn ich mal wieder Metallicas "Master Of Puppets" mit der Melodie von Foreigners "Jukebox Hero" vor- und nachsang. Oder wenn ich Liveauftritte inszenierte und mir zur visuellen Unterstützung von Metallicas "Jump In The Fire" ein Flammenmeer aus feuerrot angemalter Pappe anfertigte, in das ich dann passend zum Refrain - genau: hineinsprang. Kurz: irgendwas schien hier nicht zu stimmen.
In den kommenden Jahren lernte ich jedoch zwei Dinge. Erstens: Magnum ist eine britische Rockband. Und zweitens: ich liebe diese Platte. Ehrlich. Bis zum heutigen Tag. Zugegeben: es hat ein bisschen den Beigeschmack von "Huiuiui, da habe ich aber ein paar hübsche Leichen im Keller.", aber meine große Schwäche für bombastischen AOR von Magnum oder auch für lässigen Bluesrock von Great White ist wenigstens mir ja seit einigen Jahren bekannt. Dass ihr sie nicht kennt..."Jagutääähh"(Der Kaiser), "strengt's euch halt mal ein bisschen an" (Guido "NEUWAHLEN" Westerwelle).
Magnums Plattenfirma Polydor wollte mit der Band endlich den amerikanischen Markt knacken. Dessen Interesse war bis dato durchaus gedämpft. Zum einen haftete der Band bedingt durch ihre früheren Arbeiten ein staubtrockenes Artrock- und Progressive Rock-Image an, von dem Ende der achtziger Jahre nunmal wirklich keine Sau etwas wissen wollte und zum anderen...naja, es waren eben Engländer, waren sie nicht?! Amerika befand sich im Guns'n'Roses/Ratt/Mötley Crue/Poison/Bon Jovi-Taumel, durchgerüttelt von wallenden, blonden Haarmähnen, zugekleistert mit drei Dosen Wella Flex pro "Kopf", vernebelt im Suff- und Heroinrausch. Wie man in dieser Situation von einer potentiell medial fast zum Kotzen langweiligen Band wie Magnum erwarten konnte, sie würde mal eben das Feld von hinten aufrollen, wenn man ihr nur einen amerikanischen Starproduzenten (Keith Olsen) und einen Hitsongwriter (u.a. Desmond Child) vor die Nase setzt, ist völlig schleierhaft. Rubrik "Vollprofis in Plattenfirmen".
Überraschung indes: dabei sind sowohl die Produktion als auch die Songs selber frei von jeder Kritik. Der Engländer würde nun den Ausdruck "flawless" verwenden und er wäre "damn right", wie wir Doofexperten sagen, ich mag mittlerweile ja sogar den rockenden Stuhl! Aber der Rest, Kinder! DER REST! "Goodnight L.A." ist feinster Rock-Pop oder Pop-Rock für das beste Radioprogramm aller Zeiten: arschglatt und dermaßen poliert bis wirklich kein Neutron mehr aus dem Sound hervorlugen kann, und das bei nur marginaler Bombastreduzierung. Wenn in "Mama" nach leisem Beginn die Gitarre volle Akkorde in den Song peitscht und das typisch-hallige Schlagzeug Fahrt aufnimmt, wenn in der kitschfreien Megaballade "Only A Memory" die mächtigen Chöre einsetzen und von einem schweren Megariff abgelöst werden, wenn der straighte Rocker "What Kind Of Love Is This" mit rauhem Bob Cately-Gesang und umwerfender Hookline eine zweite Seite eröffnet, die mit "Shoot" und "Born To Be King" zwei glasklare 10-Punkte-Songs präsentiert, dann erkennt der 13-jährige Florian vielleicht nur die herausragenden, zwar eingängigen aber ebenso anspruchsvollen Songs, während der XX[noch einfügen - d.Setzer]-jährige Florian die Größe der kompletten Produktion nebst der Arrangements und der herbeigeführten dunklen, schwer-glühenden Atmosphäre zu würdigen weiß.
"Goodnight L.A." ist in jeder Hinsicht eine Meisterleistung und in der Konsequenz natürlich tierisch gefloppt. Polydor strich sogar die angedachte dritte Singleveröffentlichung "No Way Out", weil die zweite Auskoppelung "Heartbroke & Busted" schon ordentlich baden ging und die erwünschte Chartplatzierung nichtmal im Ansatz erreichen konnte. Der harte Kern der Magnum-Fans hingegen ließ das Album ebenfalls kräftig durchfallen: viel zu poppig, viel zu kompakt, viel zu glatt, viel zu amerikanisch - und zumindest das war eben kompletter Humbug: selbstverständlich klangen Magnum immer noch typisch britisch, nur eben nicht mehr so steif und verkopft. Tatsächlich legte schon der großartige Vorgänger "Wings Of Heaven" (ebenfalls ein sicherer Kandidat für meine "Rotz und Wasser heulen auf die Knie sinken"-Ruhmeshalle) mit heruntergefahrenem Kitsch und einer Fokussierung auf naivere Dramatik den Grundstein für die hier fortgesetzte Entwicklung, auch wenn er noch deutlich klarer und rauher klang.
Und das Ergebnis von all dem? Es kamen keine neuen Fans hinzu, stattdessen verlor man einen nicht kleinen Teil der eingefleischten Anhänger. Im Grunde ist "Goodnight L.A." der möglicherweise entscheidende Bruch in der Magnum-Karriere: nach vielbeachteten Alben Ende der siebziger und Anfang der achtziger Jahre und den Meilensteinen "Chase The Dragon", "Vigilante", "Wings Of Heaven" und vor allem "On A Storyteller's Night" waren sich die konservativen und sicherheitsbewussten Rockfans nach "Goodnight L.A." eben nicht mehr sicher. Noch einen Reinfall riskieren? Auf keinen Fall! Der Nachfolger "Sleepwalking" interessierte dann niemanden mehr so richtig. Ich glaube ja, dass die Band (die bis heute existiert, Platten veröffentlicht und auf Tour geht) sich seitdem nicht mehr von diesem Einbruch erholt hat. Und es ist natürlich nicht gering zynisch, dass dieser Einbruch gerade mit ihrer nach meinem Ermessen zweifelsfrei besten Platte erfolgte.
"Goodnight L.A." von Magnum ist im Juli 1990 auf Polydor erschienen.