INFINITY WINDOW - ARTIFICIAL MIDNIGHT
Eine jener Platten, über die ich seit mehreren Jahren schreiben will, und es trotz aller guten Vorsätze nie geschafft habe - sie ist damit nicht alleine, aber es ist eines jener Alben, das sehr prominent auf der im Schädel zusammengekritzelten Liste steht, weil ich es so überragend gut finde. In dieser Rubrik ebenfalls ganz weit vorne ist "Miles Away" von The Last Electro-Acoustic Space Jazz & Percussion Ensemble (hinter dem übrigens Hip Hop-Tausendsassa Madlib steckt) - eine meiner absoluten Lieblingsjazzplatten, wichtig, toll, richtig groß, aber ein Textlein darüber ist hier immer noch nicht zu finden. Entsprechende Onlinepetitionen werden vom Autor berücksichtigt, just sayin'.
Fassen wir uns also heute ein flottes Herz für "Artificial Midnight" - eine Platte, die in erster Linie deshalb so besonders ist, weil sie bereits nach wenigen Sekunden...naja: so besonders ist. Ich habe das schon mehr als nur einmal im Rahmen von Werken des Saarländers Stephan Mathieu gesagt, und es passt hier ebenfalls. Der eigentliche Klang, der Ton ist so speziell, so wohltuend schön und anders als der fast komplette Rest der vermeintlichen Konkurrenz, dass ich sofort die Ohren spitzen und aktiv zuhören muss. Letzteres macht hier so oder so Sinn: das Produzenten-Duo Taylor Richardson und Daniel Lopatin (u.a. Onohtrix Point Never) hatte sich das Ziel gesetzt, eine wolkigere, dichtere Version früher Kraut-Aesthetik zu erschaffen:
"Putting krautrock in a fog — it’s like taking the vibe of prog and divorcing it from all the bullshit wankery and cliche." (Lopatin)
Drei Tracks lassen sich auf "Artificial Midnight" finden, die von der ersten bis zur letzten Sekunde einen Stimmungsbogen zeichnen; eine echte, gewollte Entwicklung. Ist der Beginn mit "Sheets Of Face" noch dunkel und komprimiert, hellt es sich im weiteren Verlauf durch "Internal Compass" und ganz besonders im knapp zwölfminütigen "Skull Theft" bei aller weiter vorhandener Dramatik immer mehr auf. Optimismus. Licht. Synthiewände und -schleifen aus dem Kontext der freien Liebe, der Kommunen, dem Sauerkrautfass und Conrad Schnitzler. Denn niemand hat gesagt, dass ich keine Klischees verwenden dürfte.
Für die Zielgruppe ist "Artificial Midnight" gerechterweise eines der besten Ambientalben der letzten 20 Jahre.
Erschienen auf Arbor, 2009.
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