WHEEDLE'S GROOVE - SEATTLE FUNK, MODERN SOUL & BOOGIE 1972 - 1987
Das US-Amerikanische Label Light In The Attic hat in den vergangenen Jahren mehr als nur einen Volltreffer gelandet. Das erfahrene Team von Schatzsuchern hat nicht nur das Phantom Lewis ins Rampenlicht des Jahres 2014 gezerrt und mit Jim Sullivans "UFO" eines der brilliantesten Singer/Songwriteralben aller Zeiten aus dem mysteriösen Wüstenstaub befreit (mehr dazu in Kürze), sie haben sich auch besonders um die Funk- und Soul-Szene der Emerald City Seattle gekümmert und ihr einen die Jahre 1965 bis 1975 abdeckenden Sampler aus dem Jahr 2004, sowie einen Film "Wheedle's Groove" (2008) gewidmet. 2014 legte das Label mit Volume 2 nach, nun waren die Jahre 1972 bis 1987 an der Reihe.
Das spannende an dieser Zusammenstellung ist neben dem Entdecken eines bislang mir unbekannten musikalischen Erbes dieser Stadt - als Kind des Grunge und der Neunziger war ich jahrelang ignorant genug, Seattle nur mit Mudhoney und Pearl Jam und der Comedyserie Frasier in Verbindung zu bringen - die faszinierende Beobachtung, wie die einsetzende Discowelle, die jungen Jahre des naiven Hip Hop und die großen Pop-Entwürfe mit Schulterpolster, Weichzeichner und Death by Haarspray-Frisuren diesen Sound beeinflussten und weiterentwickelten. Der Unterschied der Sounds von Volume 1 zu Volume 2 ist bemerkenswert, obwohl man auf von Sampler 1 bereits bekannte Namen trifft - ein Zeichen für die zum einen übersichtliche Szene Seattles, andererseits auch ein markantes Merkmal dafür, wie sehr die Musiker die neuen Einflüsse verarbeiteten. "Here I Go Again" von Septimus hat schon den 80er-Ruckelbeat unter der Haube, das zum Schreien komische "Kingdome" von Baseball-Star Lenny Randle verarbeitet mit seinen Ballplayers neben Chipmunks-Gesangslinien auch eine Huldigung an die Spielstätte der Seattle Mariners, sowie die ersten zaghaft herübergeschwappten Raps von Grandmaster Flash. Malik Din schwebt zwischen Prince und Harold Faltermeyers "Axel F." herum, Romel Westwoods "I'm Through With You" sollte hörbar in die Heavy Rotation der nationalen Radiostationen (und hätte da zweifellos auch hingehört), und das folgende "Steal Your Love" von Teleclere könnte man mit seinen futuristischen Sounds und einem windschiefen Arrangement um ein Haar schon als avantgardistisch bezeichnen.
Jetzt sitze ich hier schon wieder mit einem breiten Grinsen, höre mich durch das toll aufgemachte, dicke Doppelvinyl, lese mich durch die bestens recherchierten Linernotes und mein Kopf will gar nicht mehr aufhören mitzuwippen. "Wheedle's Groove" ist ein Schmuckstück der Sammlung geworden. Gebe ich nicht mehr her.
Erschienen auf Light In The Attic, 2014.
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