26.04.2014

Record Store Day 2014 - Teil 2

Freund Simon und meine Wenigkeit ließen es, so ziemlich unserem Naturell entsprechend, ruhig angehen, zumal keiner von uns auf der Jagd nach den mutmaßlichen Raritäten die Machete zwischen den Zähnen klemmen hatte. Ich hatte drei Titel lose notiert und wenn ich sie finden sollte, dann wäre ich durchaus glücklich. Andererseits wissen wir beide von der Preisstruktur und sahen uns ob der aufgerufenen Preise im Laden schon in den letzten Jahren mehr als nur einmal ungläubig an. Die Chancen auf Erfolg standen also so  oder so nicht gerade blendend. Ein Kaffee auf der zugigen Sonnenterasse, bevor wir uns zur ersten Station aufmachen: Lucky Star Records in Bornheim. Der inklusive Klo 24qm kleine Laden in der Heidestraße hatte im vergangenen Jahr sogar ein kleines Feature in der Frankfurter Rundschau und ist als einer von vier teilnehmenden Frankfurter Plattenläden beim Record Store Day dabei, 2014 bereits zum dritten Mal.

Es ist kurz nach 12 Uhr, als wir ankommen, und Inhaber Günter Henn berichtet, der Laden sei direkt nach Öffnung um 11 Uhr aus allen Nähten geplatzt. Davon zeugt das beinahe leergeräumte "RSD 2014"-Fach. Waren die Heuschrecken also schon da. Ich mag den Lucky Star, der besonders in Sachen Jazz, Soul/Funk und Stoner- und Doom Metal das ein oder andere unerwartete Schätzchen führt. Ich finde nicht allzuoft etwas, aber der Laden hat Charme. Und hätte ich die zweite Danzig-LP nicht schon im Schrank stehen, hätte ich sie zum fairen Kurs von 20 Euro dieses Mal mitgenommen.

Weiter geht's zu meinem persönlichen Frankfurter Favoriten: Big Black Records in der Eisernen Hand. Bei meinem ersten Besuch 2009 war ich schon Feuer und Flamme für diese unbekannte Chaosperle Frankfurts: der große Verkaufsraum war mit Stehlampen, Staubsaugern, Radios, Fernsehern und tausenden Schallplatten vollgerümpelt, und wer an die Kisten mit dem schwarzen Gold wollte, musste mit dem ganzen Krempel erstmal Tetris spielen. Die Kundschaft aus dem Nordend-Kiez, die sich reparierte Handys, Plattenspieler oder Radios abholt, ist immer für einen Lacher gut und unterstützt so die luftige, entspannte Atmosphäre des Ladens. Der Inhaber, ein extrasympathischer und sehr hilsbereiter, lockerer Typ, hat indes in den letzten Monaten etwas klar Schiff gemacht, das war am Samstag deutlich zu sehen. Das Repertoire umfasst sämtliche relevante Stilrichtungen, die Preise sind in der Regel absolut fair und außerdem gibt es nicht selten einen schönen Rabatt. Ich entdeckte Ministrys "Psalm 69" und eine alte Gil Scott Heron 12-Inch ("Space Shuttle" von 1991) und freute mich wie Bolle. Big Black nimmt nicht am Record Store Day teil, aber dieser Geheimtipp ist immer fester Bestandteil eines jeden Ausflugs in die hessische Vinylhölle.

Nächste Station: Sachsenhausen. Oder, wie wir Kenner sagen: Hachsensausen.
Sickwreckords in der Schulstraße ist eine Institution in Sachen Punk, Hardcore, Ska, Indie, Garage, Rockabilly und Reggea, außerdem gibt's ein großes Angebot für Jazz und Black Music-Aficionados. Sickwreckords nahm am Record Store Day teil und hat, um die RSD-Platten auszustellen, den Probehör-Plattenspieler für diesen Tag eingemottet. Das ist zwar doof, aber wenn man auf der Jagd nach den heiligen RSD-Scheiben ist, dann findet man hier das größte Angebot in ganz Frankfurt (keine Kunst, aber hey!). Ich fand meine drei Favoriten nicht, aber hätte ich viel zu viel Geld und außerdem einen Hirnschaden, dann hätte ich vielleicht die 18 Euro (!) für eine 12"-Maxi (!!) von Charles Bradley bezahlt. Oder die 30 Euro für die verdammte Oasis "Supersonic"-Maxi. Ein Song, der schlappe zwanzig Jahre auf dem Buckel hat. Die nächste Frage ist rhetorisch, weil ja jeder die Antwort schon kennt, aber sei's drum: wird sowas wirklich gekauft? Zu den Preisen?


Was sich der Herr Dreikommaviernull gönnte: die geile Candlemass "Live"-Scheibe aus dem Jahr 1990 - ein Klassiker aus einer Zeit, in der man Metal noch hören konnte, ohne sich dabei vollzukotzen, "The White Room" von The KLF (dummerweise mit praktisch unsichtbarem, dafür aber leider deutlich hörbarem Längskratzer), Soundgardens "Loud Love" 12" mit grandiosem Pressfehler (die Platte ist schlicht nicht zentriert gepresst, was den Tonarm zu wilden Salsa-Abfahrten anstachelt - noch nie gesehen, sowas) und eine krude, aber dafür höggschd (Bundesjogi) interessante Platte einer ebenso kruden wie interessanten Band: "Sinister Funkhouse #17", das Debut von Last Crack. Der Nachfolger "Burning Time" (produziert von Dave Jerden) ist so eine Art vergessene Perle des Metals oder des Alternative Rocks - so genau lässt sich das bei Last Crack nicht sagen, was auch gleichzeitig ihr größtes Problem war: musikalisch zwischen allen Stühlen, dazu auf einem reinen Metallabel (Roadrunner) - eher hätte man im hochsommerlichen Freibad eine Skiausrüstung verkaufen können, als im musikalischen Klima Anfang der neunziger Jahre eine solche Band zu vermarkten. Egal. Mein Geheimtipp für diese Woche: Last Crack. Kaufen. Lohnt.

Wir fallen aus dem Sickwreckords raus und in den No.2 hinein - die Läden liegen nur wenige Meter auseinander und es bietet sich an, immer einen Blick in beide Häuser zu werfen. Der No.2 in der Wallstraße ist nach dem Brand im Jahr 2009 und dem anschließenden Umzug in die neuen alten Räume der OP-Saal unter den Frankfurter Plattenläden. Hier könnte man auf dem Fußboden problemlos eine Herz-OP durchführen: sehr aufgeräumt, eine sehr klare Struktur und sehr viel Platz. Die Platten passen sich in 49 von 50 Fällen diesem Niveau an und sind immer in piekfeinem Zustand. Ab und an finde ich in der Metalabteilung ein lange gesuchtes Schätzchen, beim restlichen Programm wird die Luft immer etwas dünn für mich, zumal die Herrschaften wissen, welchen Preis sie auf die Platten pappen können. No time for Schnäppchen. Folgerichtig ging ich auch dieses Mal mit leeren Händen nach Hause.

Letzte Station unseres Trips war Mythos Records in der Höhenstraße in Bornheim, ein Laden, den Simon und ich beim letzten Besuch als nicht besinnungslos überragend empfanden, der aber, als ich im Dezember mit Freund Jens dort die Regale durchforstete, einen deutlich besseren und sympathischeren Eindruck machte. Auch dieses Mal war es ein angenehmer Aufenthalt, obwohl ich auch hier das Portemonnaie in der Tasche ließ. Besonders im Alternative/Indie/Punk-Fach tummelt sich die ein oder andere schöne Scheibe, preislich durchweg im Durchschnitt. Kann man also schon machen. Inhaber Christos, der den beiden Jungs, die bereits im Sickwreckords augenscheinlich in erster Linie auf der Jagd nach Record Store Day-"Raritäten" (hihi) waren, auf ihre Frage,wo denn der heiße RSD-Scheiß zu finden sei, gleich eine Absage erteilte ("Da mach' ich nicht mit!"), erzählte uns anschließend auch noch seine Sicht auf das Konzept des Record Store Days. Viel zu viel Arbeit, viel zu viele wirre Emails und Telefonate, viel zu viele Idioten - und da man den ganzen Krimskrams, den man bestellte und vielleicht sogar geliefert bekam, ja auch nicht zurückschicken kann, sitzt man am Ende auf einem (Andrea) Berg Platten, die keiner haben will. Kein neues Problem: selbst der kleine Rough Trade Schuppen in London hatte noch schön die "RSD 2010" und "RSD 2011" Fächer rumstehen. Im Jahr 2012, wohlgemerkt.

Angeblich war auch "CDs am Goethehaus" Teilnehmer, allerdings nur auf Basis von Vorbestellungen, weshalb wir hier nicht reinschauten. Und, und das ist jetzt richtig schlimm, beziehungsweise haarsträubend: Memphis Records, ein mir noch unbekannter Laden in der Friedberger Landstraße, hat auch teilgenommen. Und ich wusste es nicht. Ich wusste nicht mal, dass es den Laden gibt. Das muss nachgeholt werden. Simon: das müssen wir uns bei Gelegenheit ansehen!

Vinyl saves!

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