02.04.2014

Schatzsuche



BLACK RENAISSANCE - BODY, MIND AND SPIRIT


Und nochmal Spiritual Jazz, bitteschön. Dieses Mal aber ein älteres Kaliber, genauer aus dem Jahr 1976. Ein für lange Zeit verschollener Schatz, der seitens den rührseligen Menschen von Ubiquity, beziehungsweise des Sublabels Luv 'N Haight, erstmals im Jahr 2002 gehoben werden konnte und nun eine neuerliche Überarbeitung als limitierte Version (jaja!) mit rotem Vinyl erfährt.

Dass Vinylsammler bisweilen nicht mehr das komplette Teeservice im Küchenoberschränkchen haben, dürfte hinlänglich bekannt sein; mir weniger wohlgesonnene Mitmenschen könnten im Ernstfall ähnliches von mir zu berichten wissen, wenngleich ich mich bei maximaler Reflektion eventuell eher hinsichtlich der insgesamt erworbenen Mengen, denn bezüglich kostspieliger Einzelkäufe ins Abseits stellen lassen könnte. Die teuerste Platte, die in meinem Ikea-Expedit steht, hat mich "nur" 50 Euro gekostet - was angesichts einer schwarzen Plastikscheibe mit eingeritzter Musik, die ich seit zwanzig Jahren kenne und seit ebenso langer Zeit als CD-Version im dafür vorgesehenen Turm steht, schon reichlich balla-balla, im Vergleich mit anderen Menschen und Schallplatten jedoch geradezu lächerlich ist, zieht man die Preisabfragebörse für Vinyl Popsike.Com zu Recherchezwecken heran. Die Originalpressung von "Body, Mind And Spirit" wechselte im Jahr 2009 zum Preis von schlappen 650 US-Dollar den Besitzer, bei Discogs werden im Mittel über 300 Euro gezahlt.

Der Mastermind hinter diesem Juwel, Pianist Harry Whitaker, ging in finanzieller Sicht leer aus - ein Schicksal, das er mit vielen Musikern seiner Generation teilt. Ich erinnere hier beispielhaft an Leon Gardner, der auf seinem obskuren Igloo Label 7-inches veröffentlichte, die es heute auf mittlere vierstellige Beträge bringen können, während er selbst möglicherweise als Obdachloser auf den Straßen von Los Angeles lebt (nicht bestätigt, sein genauer Aufenthaltsort ist unbekannt). Whitaker nahm "Body, Mind And Spirit" im Alter von 26 Jahren am Martin Luther King Day in New York auf, am 15.Januar 1976. Anschließend schickte er eine Kopie des Masterbands zum japanischen Baystate Label, die das Album ohne weitere Rücksprache mit Whitaker im Jahr 1977 veröffentlichten, allerdings nicht ohne den Aufnahmetermin auf dem Cover der Platte falsch zu drucken. Es gab keine Verträge, es gab keinen Deal - und Baystate war trotz einiger Besuche Whitakers in Japan nicht zu erreichen, geschweige denn zu finden. Das Label ist schon seit Jahrzehnten Geschichte.

Musikalisch ist "Body, Mind And Spirit" eine lohnenswerte Angelegenheit, sofern man auf diesen Mix aus (Free) Jazz und Rare Groove steht - überraschenderweise wurden die beiden überlangen Tracks frei improvisiert und in einem First Take aufgenommen. Es gab keine Proben, es gab keine Noten. Sie spielten einfach, vermutlich sich selbst in Hypnose. Das Wort kommt mir übrigens öfter in den Sinn, wenn sich "Body, Mind And Spirit" auf dem Plattenteller dreht. Besonders erwähnenswert ist die Beteiligung des Trompeters Woody Shaw - ihn habe ich seit meiner Begegnung mit ihm auf der "One Night With Blue Note Vol.2" LP (trotz des Jahres 1985 eine ganz, ganz großartige Platte mit dem traumhaften Line-Up Jackie McLean, Woody Shaw, Jack DeJohnette, Cecil McBee und McCoy Tyner) in mein Herz geschlossen, weil sein Ton so knallhart und klar, sein Stil so flüssig und wieselflink ist, dass es eine herausragende Freude ist, ihm zuzuhören. Ich kenne keine auch nur durchschnittliche Platte, auf der er mitwirkte. Auch Whitaker ist von Shaws Vorstellung auf seiner Scheibe begeistert und stolz:"Nobody has heard him play like that!"

Erschienen auf Luv 'N Haight , 2013.

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