08.12.2013

Thrash'n'Spekulatius - Platz 4



Platz 4:
DEVASTATION - IDOLATRY

Wo sich insbesondere bei Overkill und Forbidden das Luxusproblem der Qual der Wahl einstellte, läuft's mir bei dieser Kapelle aus Texas ganz flüssig am Bein entlang. Devastation veröffentlichten zu Lebzeiten drei Alben, derer zwei man in aller Seelenruhe und gerade jetzt im Winter als Eiskratzer für die Karre verwenden kann. Sofern man eine Karre hat. Alternativ lassen sich auch schöne Obstschalen aus den Vinylen formen. Besonders das Debut "Violent Termination", von einigen komplett Schwachsinnigen für geradewegs obszön zu bezeichnende Geldbeträge im Internet angeboten, ist wenig mehr als naives, mies produziertes Gerumpel mit einem faszinierend schlecht klingenden Sänger. Was das Album übrigens zu einem Paradebeispiel für eine sich immer absurder entwickelnde Sammlerkultur macht, die sowohl ironischer- als auch konsequenterweise in einer Reihe mit nicht mehr ganz so neuen Streamingformaten steht: wenn es nur noch um den inhaltsfreien, tumben Konsum geht, um den Besitz und die Pose - dann können wir den Laden eigentlich heute schon zumachen. Die Lichter sind schließlich schon aus.

Der Nachfolger "Signs Of Life" lieferte vor allem klanglich eine Steigerung zum Debut ab, im Gesamtbild blieb das Quintett im Vergleich zur Konkurrenz aus der zweiten oder dritten Thrash-Garde noch immer (fast) alles schuldig. Gerade vor diesem Hintergrund ist es für mich bis heute ein großes Rätsel, was wohl zwischen "Signs Of Life" und "Idolatry" geschehen sein mag. Das dritte und letzte Album der Band ist ein perfektes Thrashalbum der dritten Generation und ein völlig fehlerloses, packendes Lehrstück harter, extremer Musik. Devastation müssen ihr letztes Hemd für diese Platte gegeben haben, denn sie stiegen direkt aus der Regionalliga in die Champions League auf.

Von der ersten bis zur letzten Minute ist der durchdringende Wille des Quintetts wahrnehmbar und das stilvolle Songwriting mit einem alles zerbröselnden Riffing ist ein Quantensprung zu den Vorgängerwerken - ultraheavy, stringent, mit Hand und Fuß. Scott Burns hatte in Sachen Sound seine Finger im Spiel, und in Momenten, in denen ich weniger gut gelaunt bin (entgegen der verbreiteten Meinung ist das bedeutend seltener der Fall als weithin angenommen), ertappe ich mich bei der bösen Vermutung, die Band konnte wohl keine zwei Schritte unfallfrei geradeaus laufen, bis sie auf einen Hexer wie Burns traf, der sich ihrer Musik annahm. In diesem Zusammenhang ist es ratsam darauf hinzuweisen, dass die Ansicht, Burns hätte in seinen Glanzzeiten sowieso nur einen einzigen Sound gehabt und diesen immer nur wiederholt, im Falle von "Idolatry" nicht greift. Sicherlich lässt es sich auch ohne güldene Ohren und ohne einzuholenden Expertenrat recht fix heraushören, wer das Gebretter am Mischpult zusammenstrickte, dass "Idolatry" trotzdem sehr eigenständig und einzigartig klingt, steht gleichfalls außer Frage. Für meine eben geäußerte Theorie spricht übrigens auch, dass sich die Band nach Veröffentlichung ihres dritten Albums auflöste - ab "Idolatry" konnte es im Prinzip nur noch bergab gehen. Vielleicht war selbst die Band sich dessen bewusst.

Erschienen auf Combat, 1991.

Nachtrag: Manchmal ist es vielleicht ganz gut, seine alten Helden in Ruhe zu lassen, um bloß nicht feststellen zu müssen, dass sie (mittlerweile?) alte, bärtige und aufgepumpte Rednecks sind, die mit Maschinengewehren posieren und sich Zitate von Hank "Hirnschaden" Williams Jr. auf Facebook hochknallen. In dem Fall wäre ich nämlich tatsächlich mal wieder ziemlich schlecht gelaunt. Andererseits...es is' halt Texas, ne?! "Where Fuck-Up's come alive." Bei uns wäre das ja Bayern. 

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Keine Ahnung wovon du schreibst. Aber die Platte ist super. Hatte ich noch nie von gehört. Danke für den Muskelkater im Nacken.

Graf Wagen