24.12.2013

Das war 2013 - beziehungsweise eben nicht

“How did it get so late so soon? It's night before it's afternoon. December is here before it's June. My goodness how the time has flewn. How did it get so late so soon?” 
Dr. Seuss

Der Rückblick auf das Jahr 2013 fällt schwer, sowohl der musikalische, als auch der persönliche. Es fühlt sich halt auch gar nicht nach Jahresende an, es ist nicht die Zeit für einen Rückblick, es ist doch praktisch erst Sommer?! Ich hatte doch eben erst noch über meine letztjährige Nummer eins geschrieben, über Propagandhi - und, großer Gott, lass es zwei Tage her sein, da war ich doch auf ihrem Konzert in Köln. Come the fuck on?!

Das Konzert war im April und meine warmen, weisen, wegalen Worte zu "Failed States" schrub ich im Februar. Was davor, dazwischen, danach kam, war schneller wieder weg als dieser komische Hautausschlag im September. "Komisch, für sowas hab' ich ein Gedächtnis."(Loriot).

2013 begann stilecht mit der wunderbarsten Grippeerkrankung seit Jahren, mit tagelangem Fieberscheißdreck und Schüttelfrost, und weil ich so ein positiver Mensch bin, schwenke ich trotzdem ganze zwei Mal das "Glück im Unglück"-Fähnchen, denn erstens wurde mir der jährliche Weihnachtsfamilien-Zinnober erspart, zweitens nahm ich dank der Temperatur von 39,5°C über volle sieben Tage volle vier Kilo ab und startete damit gleichzeitig das Projekt "UHU". Eingeweihte wissen, was ich meine, der Rest soll's halt in Gottes Namen googeln. Der Arbeitseinstieg nach zweiwöchiger Krankheit wurde indes genau die Katastrophe, nach der es sich anhört - ich hasste es. Ich glaube nicht, dass ich zu jener wirklich klinisch depressiv war, aber depressive Tendenzen stellte ich eindeutig fest. Der Höhepunkt dessen war erreicht, als ich für drei Tage "geschäftlich" (so sagt man das als total abgefahren in seine Arbeit verknallter Hornochs', oder?) nach London musste: ich betrat ein Flugzeug gegen meinen Willen, was eine ähnlich qualitative Aussage ist wie beispielsweise "Wasser ist Nass" oder "Markus Lanz besteht zu 99% aus Schleim, der Rest sind Haferflocken", wurde mit rund 500 Arbeitskollegen aus ganz Europa in einem viel zu kleinen, dafür aber absurd weitläufigen Hotel eingepfercht, und alleine das Einchecken mit all dem Gekrähe und Schulterklopfen empfand ich als einschüchternd und demütigend, von den Animationsmätzchen mal ganz zu Schweigen, und aß über drei Tage das einzig vegane Gericht des Hauses: halb durchfrittierte/gefrorene Kartoffelrösti mit trockenem Salat. Hut ab, diese Briten!

 Wenn man es dann mal ausdrücklich von seinem Körper erwartet, er möge mir im übertragenen Sinne mit einer Eisenstange den Kopf verbeulen und mich für mindestens vier Wochen aus dem Verkehr ziehen, passiert natürlich gar nichts. An die kommenden drei Monate kann ich mich wirklich ums Verrecken nicht mehr entsinnen (bis auf das erwähnte Konzerterlebnis in Köln), der Mai verschwindet um ein Haar in einer jobbedingten schwarzen Wolke, die dieses Mal immerhin so dunkel und verdunkelnd war, dass ich mich daran natürlich noch ausgesprochen exklusiv erinnere.

Im Juni trafen die Herzallerliebste und ich die ersten Umzugsvorbereitungen - unvergessen der Samstag, an dem wir um 4 Uhr morgens und nach drei Stunden Schlaf aufstanden, um unseren ausrangierten und für die Mitnahme in die neue Höhle nicht vorgesehenen Krempel auf einem Frankfurter Flohmarkt zu veräußern, ich am selben Nachmittag um 17 Uhr von den Jungs aus der Band abgeholt wurde, wir nach Kusel fuhren, um einen Gig zu spielen, und ich also Sonntagmorgen um 5 Uhr zu Hause ankam und damit 25 Stunden am Stück wach war. Liebe Leser, es ist ein höchst amüsantes Spiel, das der Körper in solchen Momenten mit einem spielt, vor allem, wenn man keine 20 mehr ist. Allerdings nicht amüsant genug, um es so schnell zu wiederholen. Außerdem stand ein Besuch in Tübingen auf dem Plan, um gemeinsam mit Freund Jens Bonobo anzuschauen, der auf der beschaulichen Waldbühne des Sudhauses gastierte.

Die zweite Jahreshälfte lässt sich schnurstracks abhandeln: Umzug, Umzug, Arbeit, Arbeit. Es blieb wirklich nicht mehr viel Zeit für irgendwas anderes, und wenn doch, dann habe ich es vergessen. Was blieb: Blank When Zero spielten in der zweiten Jahreshälfte noch zwei besondere Konzerte - eines sogar in der verbotenen Stadt Köln und mit Andreas als Gastbassist für den verhinderten Marek, der sich gerade auf die Geburt des zweiten Kindes vorbereitete. Den zweiten Gig spielten wir nur zwei Tage später in Mainz, der vor allem deshalb besonders war, weil Simon und ich unseren Kram nur zu zweit herunterzockten. Ich weiß nicht, woran es GENAU lag, aber das waren die schnellsten 20 Minuten der Welt. Ich kam fast noch nichtmal ins Schwitzen. Aber eben nur fast.

Das Konzert des Jahres 2013 sah ich im November im Frankfurter Bett bei Oddisee, der mit einer kompletten Band aus fünf grandiosen jungen Jazzmusikern tourte und der entgegen der Vorurteile, die auch ich gegenüber zeitgenössischem HipHop hege und pflege, durch einen mit positiver Power aufgeladenen Abend führte und mich damit einigermaßen aus meiner Einigelsuppe herausholte.

Die Frau des Jahres ist nun seit mehr als vierzehn Jahren die Frau an meiner Seite, ohne die dieses Leben nicht mehr vorstellbar wäre. Blindes Verständnis, großes Vertrauen. Große Liebe.

Was uns nun zu den Platten des Jahres führt. Es folgt der Standardsatz zum Jahresende, wir tauschen allerdings die Jahreszahlen aus: das Jahr 2013 war musikalisch das beste Jahr seit 2012. Und es sollte schon mit dem achtschwänzigen Hoeneß zugehen, wenn wir hier nicht zwanzig Exemplare finden, über die in den kommenden Wochen das gefürchtete Geschwurbel herabschwurbeln wird. Passend zur Einigeltaktik der Lebensrealität, denn am Wochenende verlasse ich nur noch unter Androhung von Waffengewalt das Haus, ist mir in diesem Zusammenhang aufgefallen, wie weit ich mittlerweile von dem entfernt bin, was "man" so "mittlerweile" "alles" "hört". Was man nun bitteschön ausdrücklich nicht als Exklusivitätsglibber missverstehen soll - aber die vor einigen Jahren getroffene Entscheidung, weder Musikmagazine noch Webzines zu lesen, mir also auch nichts mehr durch einen Filter hindurch vorschlagen oder aufdrängen zu lassen, sondern die monatliche Kaufentscheidung einzig und allein von meiner Intuition abhängig zu machen, hat besonders im beinahe abgelaufenen Jahr dazu geführt, dass ich mich mittlerweile wirklich nirgends mehr wiederfinden konnte. Das fällt während des Jahres nicht groß auf, aber wenn jetzt im Dezember die Jahresbestenlisten auf uns einprasseln, dann ist's vor allem deshalb diskussionswürdig, weil überall derselbe Brei präsentiert wird. Dieselben Bands, dieselben Alben. Meinetwegen alles genreabhängig, aber innerhalb eines Genres hat man den Eindruck, es wären wirklich nur diese 50 oder 100 Platten veröffentlicht worden, die jedes Schmierblatt, sei's nun gedruckt oder virtuell, in ihre Werbelisten für die Werbeanzeigen schaltenden Labels reinschaufelt. Und ich bin diese in erster Linie wirtschaftlich bedingte Konsenssoße an diesem anbiedernden und manipulativen Hipsterrotze-Risotto sowas von leid. Es ist zum Kotzen.

Zeit für ein kleines bisschen Gegengift.

"Du kannst vielleicht nichts bewirken, aber zu kannst dem Wahnsinn zumindest zwanzig Plattenkritiken entgegenhalten, mit diesen gewaltsam auftrumpfenden schwarzen und grünen Rhythmen, so als explodiere ein sehr junger Schutzmann." 
H.Schmidt

Ich wünsche Euch friedliche und besinnliche Weihnachten.

1 Kommentar:

Simon hat gesagt…

Wir - BLANK WHEN ZERO - haben zwar unseren Traum vom Vinyl umgesetzt, mangels angebrachter Promo in Form von etwas mehr Live-Präsenz, ging dieses individuelle Highlight wohl leider bei uns allen etwas unter...