WEEDPECKER - III
Eine meiner meistgehörten Platten des Jahres. Ich kann mich noch sehr genau daran erinnern, wie ich Freund Jens eines Nachts, nur Minuten nach Entdecken des Youtube-Clips, über einen virtuellen Kanal förmlich anschrie:"ALTER! WEEDPECKER! OCEANSIZE, PINK FLOYD UND JUD HABEN MITEINANDER GEVÖGELT! KANNST DU BLIND (UND TAUB) KAUFEN!" - Was er dann auch tat, allerdings bleibt seine Begeisterung so tragischer- wie auch unverständlicherweise ein bis zwei Wagenladungen Haschgift hinter meiner zurück.
Es passiert nicht mehr oft, dass mich "neue", aktuelle Rockmusik (im weitesten Sinne) aus den Latschen bläst. Zum einen suche ich nicht mehr aktiv danach und bin daher auf persönliche Tipps von Freunden angewiesen. Zum anderen hat ebenjener Umstand auch meist einen Grund: ich komme zu gleichen Teilen weder mit dem "Höher, Schneller, Weiter"-Ansatz vieler moderner Rockbands, noch mit deren kreativer Mutlosigkeit klar. Die Produktionen allesamt steril, gleichförmig und aufgeplustert, ohne ein dB Raum für sowas wie einen Signaturesound übrig zu lassen. Stilistisch ein Versumpfen in der seit 50 Jahren vor sich hin simmernden Suppe, zu viel Breitbeinigkeit, zu viel Testosteron und zu schlechter Letzt nicht selten ein Sänger, der die Sache mit dem Singen für völlig überbewertet hält. Dass mein Rock-Radar trotzdem wenigstens ab und an noch funktioniert und mir damit demonstriert, dass es nicht mein abhanden gekommenes Gespür für Originalität, Stil und Ästhetik ist, das die Ambivalenz in meiner Wahrnehmung zusammenbastelt, zeigten 2018 die eher zufällig passierten Neuentdeckungen Hair Of The Dog (Schottisches Power-Trio im Classic Rock-Rausch) und eben Weedpecker aus Polen, die mit ihrem dritten Studioalbum beim Hamburger Label Stickman Records gelandet sind und damit durch die immer noch existierende Qualitätskontrolle der Norweger Motorpsycho gewunken wurden, die bei jedem neuen Labelsigning das letzte Wort haben.
"III" ist ein faszinierendes Album - vor allem, weil keine der oben erwähnten Unzulänglichkeiten aktueller Rockmusik zum Zuge kommt. Es tut einfach so gut, diese Musik zu hören. Ihr Sound ist warm, breitbandig, tief - wie aus der Zeit gefallen. Weedpecker wollen nicht die härtesten, die groovigsten, die psychedelischchsten sein, sie entziehen sich den gängigen Mustern und Strukturen: es geht ihnen um die Stimmung, die Farben, die Bilder - die Atmosphäre im großen Ganzen. "III" ist fast durchgängig in Mellotron-Watte gepackt, die sowohl in den schimmernden Morgenstundensounds des umwerfenden Openers "Molecule" und gar bis in Herzhöhe der schweren Riffs und Grooves im knapp neunminütigen Intensitätssmonster "Embrace" alles verzaubert und mit Glitterkram überzuckert.
Alles am richtigen Platz. Keine Chimären. Nur Musik.
Pressung: ++ (Es gibt bisweilen leises Rauschen und Poppen in den Pausen zwischen den Songs, nichts Schwerwiegendes und nichts, was stört. Die B-Seite hat gegen Ende ein paar gröbere Probleme)
Ausstattung: ++++ (Tolles Coverartwork, Gatefold Cover, clear Vinyl. Kurios: ein Downloadcode liegt bei, aber an der Stelle des Papierschnipsels, an der eigentlich der Code stehen sollte, steht bei mir: Nichts.)
Erschienen auf Stickman Records, 2018.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen