WARRIOR SOUL - CHILL PILL
Ha Ha Ha
Vorhang auf für die große "Chill Pill"-Farce. Nachdem der Streit mit Geffen nach dem Disaster des Vorgängers völlig eskalierte, wollten Warrior Soul lieber heute als morgen aus den Verträgen heraus. Geffen indes bestand auf Vertragserfüllung und schickte die Band mit einem (vertraglich festgelegten) hübschen Sümmchen als Vorschuss ins Studio. Warrior Soul lösten das "Problem" auf ihre Art: innerhalb von nur zwei Wochen rotzten sie zehn rohe, unproduzierte Songs gegen die Studiowand, steckten sich den Batzen Restkohle in die Bandtasche und finanzierten davon eine Europatournee.
Das Ergebnis schockierte nicht nur viele Fans, ich hätte auch gerne mal die Gesichter der Geffen Mitarbeiter bei der ersten Listening Session gesehen. "Chill Pill" ist abgefahren, sperrig, laut und nervenaufreibend, vielleicht das "In Utero" von Warrior Soul. So zerrissen und kaputt es sich präsentiert, enthält es dennoch einige der besten Songs, die diese Band je geschrieben hat. "Song In Your Mind", "Cargos Of Doom", "Shock 'Um Down", das zynische "HaHaHa" ("We enjoy kickin' heads / We enjoy knockin' ya dead / We enjoy everything honey / We enjoy takin' your money / We enjoy rockin' this city / We enjoy, we enjoy"), und die beiden Unglaublichkeiten "Concrete Frontiers" und "Soft" sind verkannte Meilensteine, die erst in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewannen. Was auch immer sich die Burschen während der Songwriting Sessions eingefahren haben: ich hätte gerne auch etwas davon, wenn's recht ist.
Unter den Fans war und ist "Chill Pill" ausgesprochen umstritten und ich kenne praktisch niemanden, der ein gutes Haar an dem Album lässt - andererseits kenne ich praktisch grundsätzlich niemanden, deswegen macht die These jetzt auch nicht so irrsinnig viel Sinn. Ich selbst habe einige Jahre benötigt, um "Chill Pill" ins Herz zu schließen, aber in leicht vernebelten und äußerst bewegenden Zeiten rund um das Jahr 2000 hatte ich trotzdem noch den ein oder anderen wachen Moment. Ich wohnte damals in einer Mietbutze im Frankfurter Stadtteil Rödelheim (lustige Kommentare bitte in 3...2...1...) und lebte von in Butter geschwenkten Nudeln, Reibekäse, Instant-Eistee und der ein oder anderen lustigen Schokotorte. An den Wänden hingen Bambusmatten (die waren eigentlich total super, aber meine Katzen fanden sie dummerweise auch nicht schlecht - und ihr denkt euch jetzt bitte euren Teil) und vier strategisch im Raum verteilte Lavalampen. Die Herzallerliebste und meine Wenigkeit hatten in einem, nennen wir es mal "kreativen Ausbruch" außerdem den Pinsel und die Spraydose geschwungen und allerhand Parolen wie "Make Love Not Woar[sic!]" an den Wänden verewigt und es dürfte spätestens jetzt niemanden mehr überraschen, dass ich eines Nachts, vermutlich nach der dritten Instant-Eistee-Pulle, in bester John Belushi-Manier der felsenfesten Überzeugung war, das Licht gesehen zu haben.
So habe ich also die "Chill Pill" geknackt und auch, wenn's sich jetzt wieder mal nach pathetischem Mist anhört, aber die Platte hat schon ordentlich an meinem Lebensrad gedreht.
Erschienen auf Geffen Records, 1993.
2 Kommentare:
Das ist doch Oliver Pocher mit Langhaarperücke auf dem Cover.
Pocher wurde doch erst 2001 geboren, oder? O_O
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