WARRIOR SOUL - FUCKER
The band that fought America, fought the system... and ultimately lost.
Zusammenstellungen von Demos und Outtakes üben auf mich eine ähnlich große Faszination aus wie ein ausgiebiges Wellness-Bad im Klärschlammbecken von Lagos, und "unter strengen Maßstäben" (Wolfgang Schäuble) kann die Relevanz von "Fucker" mit drei hingerotzten Sätzen locker wegargumentiert werden - das funktioniert allerdings nur solange man sich mit den 17 (+ 2 Hidden Tracks) Stücken dieser Platte nicht auseinandergesetzt hat. Ich prognostiziere, dass selbst die größeren Skeptiker unter meinen Lesern nach dem Drücken der Wiedergabetaste nur schwerlich den Weg zu den ursprünglichen Ansichten wiederfinden können. Ja, "Fucker" (in den USA übrigens unter dem Titel "Odds And Ends" und mit anderem Artwork erschienen) liefert nur Demos und Outtakes aus unterschiedlichen Recordings-Sessions der Band, und ja, der Sound ist angesichts der rohen 8-, 16- und 24-Spur Aufnahmen zu keiner Sekunde einem offiziellen Warrior Soul Studioalbum auch nur im Ansatz ebenbürtig, aber - und natürlich musste an dieser Stelle ein "aber" kommen: es sind die immer noch und immer wieder fantastischen Songs, die mir bei jedem Hören die Kinnlade heruntersausen lassen.
Anhänger des "Space Age Playboys" Line-Ups dürfen sich beispielsweise über sechs "neue" Songs freuen und dabei zwei alte Bekannte entdecken: das hier vertretene "Punk Rock'n'Roll" wurde später zum Hit "Rotten Soul" und "5 Ways To The Gutter" transformierte sich zur späteren "I Wanna Get Some"-Single. "My Sky" und "Makin' It Holy" klingen nicht nur verdächtig nach den sagenumwobenen "Chill Pill"-Sessions - von Clarke mit den Worten "our most enjoyable sessions ever and some of the band's brightest moments" geadelt - sie wurden tatsächlich zu jener Zeit, also im Januar und Februar 1993 geschrieben . Besonders "Makin' It Holy" ist ein absolutes Highlight der Bandkarriere. Diese Atmosphäre, großer Gott. Außerdem anbetungswürdig: die heruntergedimmte Akustiknummer "American", die umwerfende Halbballade "Kiss Me" (könnte das Rennen gegen "The Fallen" und "The Golden Shore" für das 1992er "Salutations From The Ghetto Nation" verloren haben), das postpunkige "Raised On Riots" (vermutlich ursprünglich für "Drugs, God & The New Republic" geschrieben) und der verlorengegangene Titelsong des Debuts, der auf "Fucker" erstmalig veröffentlicht wurde, weil er laut Clarke nie so richtig auf ein Album gepasst hätte. Ich möchte andererseits nicht verschweigen, dass auch offensichtlich unfertiges und leicht orientierungsloses Material wie "Can't Fix A Broken Heart" oder "Come To Me" den Weg auf "Fucker" fanden. Und trotzdem: was wäre wohl aus diesen Songs geworden, wären sie im Studio ausgearbeitet worden?
Wir werden es nicht mehr erfahren, denn an dieser Stelle war also das Kapitel Warrior Soul fürs Erste beendet. Kory Clarke sollte in den kommenden Jahren die durchwachsene Glamrock-Combo Space Age Playboys gründen, während sich die Wege von John Ricco, Mark Evans und Pete McClanahan schon einige Jahre früher trennten. Was aus den beiden Gitarristen und dem Drummer des letzten Warrior Soul Line-Ups wurde, entzieht sich leider meiner Kenntnis. Gitarrist Alexander Arundel aka "X-Factor" soll sich angeblich in Nashville niedergelassen haben, aber er ist nach meinen Informationen musikalisch nicht mehr in Erscheinung getreten. Ich freue mich in diesem Fall allerdings über Belehrungen. Ich bin Fan. Bring it on.
Bis zum Jahr 2000 herrschte also Funkstille. Was dann passierte, lest ihr hier im nächsten Eintrag.
Erschienen auf Music For Nations, 1996.
"Sounds like it was written yesterday. We should have listened. Oh, wait, I? did!!! Best band, all centuries"
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