Nachdem das klassische Warrior Soul Lineup nach der Veröffentlichung von "Classics" zum zweiten Mal auseinanderbrach, war das erste Lebenszeichen von Stehaufmännchen Kory Clarke sein obskures, drogenvernebeltes "Opium Hotel"-Album aus dem Jahr 2003, das ich an anderer Stelle dieses Blogs schonmal mehr oder minder ausführlich vorstellte. Zwei Jahre später schloss er sich den Redneckrockern von Dirty Rig an, hatte große Pläne, nahm ein unterdurchschnittliches Album mit ihnen auf - und verschwand wieder. Mit dem mittlerweile verstorbenen Bassisten Paul Raven (Killing Joke, Prong), Mark Gemini Thwaite und Nick Lucero arbeitete er 2007 an der Projektband Mob Research, deren Platte "Holy City Zoo" wie ein vergessenes Industrialrelikt aus den neunziger Jahren klingt. 2008 ersetzte er überraschenderweise Sänger Eric Wagener bei den Christendoomern von Trouble und nahm vier Jahre später mit einer geradewegs herausgekotzten Hasstirade gegen die (danach definitiv) ehemaligen Bandkollegen wieder seinen Hut. Die Liste erscheint endlos. Und das hier Aufgeführte ist nur eine Auswahl.
Nun könnte man angesichts der überwiegend kurzlebigen übrigen Engagements Clarkes rückblickend ja durchaus auf den Gedanken kommen, dass mit dem Mann nicht gut Kirschen essen ist, was ich übrigens ohne mit der Wimper zu zucken unterschreibe: Drogen und Alkohol, gemischt mit Verbitterung, Egozentrik, einem Hauch Größenwahn und den offensichtlich unüberwindbaren Drang, sein Gesicht mit Karacho in jede sich irgendwo herumtreibende Faust laufen zu lassen, um danach einen Song darüber schreiben zu können, üben auch auf mich keine überragende Anziehungskraft aus. Und um das zu wissen, muss ich mir mit Kory keine Wohnung und keinen Bandbus teilen. Bei aller völlig zweifelsfrei nachweisbarer Vollverblendung meinerseits, habe ich dennoch von Zeit zu Zeit die Differenzierungsbrille auf. Nicht dass mir noch jemand mangelnde Professionalität vorwirft. Das wäre ja wirklich...schlimm.
Was ich eigentlich sagen wollte: ein bisschen ernst wurde es für Warrior Soul Fans um das Jahr 2006/2007 herum. Clarke remasterte die ersten fünf Soul-Alben und warf sie mit einer Handvoll Livebonustracks, allesamt wie bestellt in unterirdischer Soundqualität, auf den Markt. In meinem Interview (von dem ich übrigens dachte, ich könnte es hier als Gimmick nochmal posten, aber ich bekam Schüttelfrost beim Lesen, also lass ich das schön bleiben, sonst wirft man mir noch Professionalität vor und das wäre ja wirklich...furchtbar) erzählte Kory davon, wie er Anfang 2002 Warrior Soul wieder zusammenbringen wollte, disste wegen des Scheiterns nochmal seinen alten Buddy Johnny Ricco ("And he fucked it up. Und weißt du auch warum? Weil er ein Idiot ist!" - Soll ich das wirklich schreiben, Kory? -"Natürlich! Natürlich sollst Du das schreiben!") und ein halbes Jahr nach unserem Telefonat war es dann soweit: Kory Clarke hat Warrior Soul reformiert. Mit irgendwelchen Schweden. Oder Portugiesen. Oder Schotten. Oder Fozzy Bär. Damit waren bei mir die, haha, Schotten dicht: der holt doch bitte Pete und Ricco zurück und sucht sich einen geilen Drummer, aber er macht doch nicht so eine halbsteife und peinliche Warrior Soul Coverband auf?! Nicht mit mir.
WARRIOR SOUL - LIVE IN ENGLAND
Die Liveplatte "Live In England" bestätigte zunächst all meine Befüchtungen, auch wenn ich fairerweise sagen muss, dass meine Erwartungen natürlich strunzdoof überzogen und völlig realitätsfern waren. Ich war auf diese Inkarnation der Lieblingsband einfach nicht mal im Ansatz vorbereitet. Nicht nur, dass Clarke stimmlich mittlerweile wie ein grippegeschwächter Motörhead-Lemmy klang, was insbesondere die schwierig zu singenden "Space Age Playboys" songs zum mittelschweren Debakel werden ließ, auch die Begleitband reichte zu keinem Zeitpunkt an die Qualitäten des klassischen Lineups heran. Darüberhinaus war der Sound zu gleichen Teilen verwaschen und staubtrocken, womit es einfach überhaupt keinen Spaß machte, sich das alles anzuhören. Zum Schönhören hat's auch nicht gereicht. Zu was es allerdings taugte: Warrior Soul waren zunächst mal wieder zurück. Ich hatte das Signal verstanden - ob ich das allerdings wirklich wollte, stand und steht auf einem anderen Blatt.
WARRIOR SOUL - DESTROY THE WAR MACHINE
Mit der semiguten Livescheibe im Hinterkopf (nicht wörtlich nehmen, bitte) konnte die Ankündigung über ein neues Studioalbum nicht allzu viel Eindruck bei mir hinterlassen. Trotzdem: ich kann aus meiner Fan-Haut nicht heraus, also musste ich das Album in der ursprünglichen "Chinese Democracy"-Version natürlich vorab und direkt bei der Band bestellen. Ich sollte es nicht bereuen. "Destroy The War Machine" ist ein durch und durch echtes Warrior Soul Album, und es ist ein großartiges noch dazu. Wütend protestierende Punkmonster mit unerhörtem Drive wie "Fuck The Pigs", "Motor City" und das überragende "(Bad News) Rock'n'Roll Boyfriend" stehen neben an alte Klassiker erinnernde, mit leicht psychedelischer Note gewürzten Atmosphärentracks "The Fourth Reich" und "Never Believe". Qualitativ ist das bis auf die beiden guten, aber etwas banalen Rocker "Burning Bridges" und "She's Glaswegian", auch Dank des drückenden, lauten und breitbeinigen Schnauzbartsounds, auf überraschend hohem Niveau. "Destroy The War Machine" reiht sich formvollendet in die frühen Alben der Band ein und ich bin insgeheim selbst heute noch baff, wie sie das hinbekommen haben.
(HIER geht's übrigens zum damaligen Post über das Album)
WARRIOR SOUL - STIFF MIDDLE FINGER
Der Fluch eines guten Albums: der Nachfolger wird daran gemessen und die Erwartungen wachsen in fast unerreichbare Höhen. Ich habe "Stiff Middle Finger" vor wenigen Wochen, und das passiert hier sehr selten, ziemlich verrissen, und ich kann nicht sagen, dass ich meinen damaligen Worten etwas hinzufügen kann. Selbst mit der allerallerrosafarbensten Fanbrille bleibt das Album in der allerallerpositivsten Betrachtung weit unter Durchschnitt - und von den Erwartungen wollen wir gar nicht reden. Dabei ist "Stiff Middle Finger" exakt die Platte, die ich eigentlich an Stelle von "Destroy The War Machine" vermutet hatte: ein Abziehbild der alten, eigenen Größe und erstmals mit dem bitteren Beigeschmack, dass hier einer die Kurve nicht mehr bekommen hat. So wie das eben bei neun von zehn Reunions läuft.
Und damit schließt sich dann doch wieder der Kreis zum Eingangsposting dieser Warrior Soul-Reihe: Reunions können mich mal. Ausnahmen bestätigen, wie immer, nur die Regel.
Und jetzt bereiten wir uns alle mal schön auf das alljährliche Ritual der Jahresbestenliste vor. Es gibt noch ein bisschen was zu tun.
Wir lesen uns.
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