22.10.2007

Innocence, I Fall Asleep


Wenn man in diesen Tagen darauf verzichtet, die Vorzüge des Internets hinsichtlich des Musikkonsums zu seinem Vorteil zu nutzen, darf man sich im Grunde nicht beschweren, wenn man hinterher etwas ratlos vor den Lautsprechern sitzt. Noch dazu, wenn das Label ACT oder ECM heißt und die Musik sowas ähnliches wie Jazz sein soll. Bitte nicht falsch verstehen: Nik Bärtschs "Stoa" oder Brahems "Le Voyage De Sahar" (beide ECM, beide 2006) sind auch heute noch gern gehörte Platten. Aber "Pasodoble", das Duo-Debut des schwedischen Bassisten Lars Danielsson und des polnischen Pianisten Leszek Mozdzer ist eben so ein Paradebeispiel dafür, was mir am heutigen, vor allem europäischen Jazz nicht gefällt. Bei der betont schlichten, künstlerischen Covergestaltung angefangen, zieht sich das Malheur über die Produktion, den Sound, das Artwork bis hin zu den Linernotes: es ist unsagbar fad'. Bei Danielssons "Melange Bleu" (2006, ACT) war nach dreißig Sekunden klar, dass hier nichts Neues zu hören sein wird und ich verzichtete auf einen Kauf. Es ist nämlich letztendlich immer der gleiche Schmu: verhaltene Pianotupfer, leises Vorantasten, meist im hinteren Albumdrittel dann kleinere Ausbrüche, nur um sich danach gleich wieder ins gemachte Nest zu legen, zurück in die Sicherheit des prasselnden Kaminfeuers und des dampfenden Kräutertees. "Pasodoble" ist furchtbar gefällig, tut keinem, aber auch wirklich so gar keinem weh, ist soundtechnisch ohne jede Herausforderung und prädestiniert für die Zuhörerschaft ab 65, die in kalten Winterabenden die passende Untermalung zur wöchentlichen Schachpartie suchen. Das ist okay, und es ist ja auch ganz schön, wenn eine Platte schmerzfrei an einem vorbeizieht.

Aber es darf mich sicher schon ein bisschen wurmen, dass sich hier vor allem in Skandinavien eine Szene entwickelt hat, die sich wohl angesichts immer noch turbulenter Verkaufszahlen in einer kreativen Sackgasse gigantischen Ausmaßes das Eigenheim mit Vorgarten eingerichtet hat und seitdem im Wachkoma-ähnlichen Zustand das Land mit mut-, risiko-, und leidenschaftslosen Arbeiten überzieht. Gerade bei Danielsson ist es schade, wo ich ihn an dieser Stelle noch so lobend für seine großartige Idee und den Mut zum Außergewöhnlichen erwähnte.

Was von "Pasodoble" bleibt, ist eine nette, schöne, feine, langweilige, nichtssagende Platte von betörender Schönheit und gähnender kreativer Leere. Und natürlich die traditionelle Speichelleckerei in den Linernotes. Fehlt nur noch, dass sich Lars offiziell ein Kind von Leszek wünscht. Mit diesem peinlichen Quatsch kann man doch auch so langsam mal aufhören. Oder muss man dem Hörer den Kram einfach schönlabern?

"Pasodoble" von Lars Danielsson und Leszek Mozdzer ist am 27.April 2007 auf ACT erschienen.


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