27.10.2007

Beautiful



Ein Skandal, dass ich nicht früher auf die Idee kam, einige Zeilen einem meiner erklärten Lieblingskünstler zu widmen. David Judson Clemmons wurde für mich besonders Ende der Neunziger Jahre zu einem ganz wichtigen Musiker. Der Grund hieß "Chasing California", und obgleich ich zu jener Zeit noch knietief im Metal watete und dort allmählich versauerte (was durchaus wörtlich zu nehmen ist), wuchs die Bedeutung dieser Platte langsam aber sicher - wahrscheinlich aufgrund der vorbildlich Metal-fernen Ausrichtung - ins Unermessliche. Die dazugehörige Band hörte auf den Namen Jud, veröffentlichte zwischen 1996 und 2001 insgesamt vier fantastische Platten und spielte lauten, dunklen, schrammelnden Independent Rock. Nach der letzten Platte "Perfect Life" brach das Trio wohl wegen chronischer Erfolglosigkeit auseinander und Clemmons beschloss auf Solopfaden weiter zu machen. Zunächst stampfte er das Projekt The Fullbliss aus dem Boden, das 2001 das großartige, folkige Debut "Fools And Their Splendor" und 2002 die ungleich rockigere, von einer unfassbar intensiven Stimmung geprägte, untergegangene Perle "This Temple Is Haunted" veröffentlichte. 2004 folgte das erste offizielle Soloalbum "Life In The Kingdom Of Agreement", ein überlanges Monumentalwerk, das nicht nur mir schwer im Magen lag. Clemmons zeigte sich hier frustrierter und verbitterter als in der Vergangenheit, sodass die Platte einem großen Brocken glich, an den sich nur Hartgesottene herantrauten, die in der Folge aber von einem einzigartigen Album sprachen.

Im Januar 2007 erschien mit "Yes Sir" ein neues Album des Wahlberliners, das (gottlob bei Weitem nicht überall) für einige fast schon skandalöse Fehleinschätzungen sorgte, die mich ob ihrer blanken Gedankenlosigkeit im Subtotal (wtf?) daran erinnerten, dass nicht jeder vom hilflosen Gestammel ins Journalistenfach wechseln muss.

"Yes Sir" ist das bis zum heutigen Tag schönste, ausgeglichenste Album von David Judson Clemmons, ist in der Grundstimmung viel heller, freundlicher und vielseitiger als seine früheren Arbeiten und genau deshalb völlig einzigartig. Auch wenn Songs wie das poppige "Someday" zunächst verwirren: sein dunkles Timbre ist immer noch unnachahmlich, bekommt auf "Yes Sir" aber so viele Sonnenscheinmelodien auf den Leib geschneidert, sodass daraus eine interessante, gegensätzliche Stimmung entsteht. Wie Clemmons im Interview aus dem Februar 2007 erklärte, ist sein Vater in erster Linie für diese Veränderung verantwortlich, der ihn praktisch auf dem Sterbebett darum bat, doch mal eine Platte zu machen, zu der er tanzen kann. Ich weiß nicht, ob man zu "Yes Sir" tanzen kann, dass diese Platte in ihrer Gesamtheit ein wichtiges Statement eines immer wieder unterschätzten Künstlers ist, steht außer Frage. "The Miranda Song", "Our Houses" (!!!), "Red Hot Soul", "Shine" und "The Sweet Hereafter" sind Sternstunden eines Mannes, der hoffentlich noch viel zu sagen haben wird.

"Yes Sir" von David Judson Clemmons ist im Januar 2007 auf Village Slut erschienen und kann unter der Mailadresse cds@fullbliss.com bestellt werden.



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