VLADISLAV DELAY - TUMMAA
Ich kann's nicht ändern, aber das ist und bleibt eine Enttäuschung. Letzten Endes beweist mir "Tummaa" mein zugegebenermaßen beschränktes, aber eben doch oftmals zutreffendes Vorurteil: der Nachfolger eines Meisterwerks ist in den seltensten Fällen ein ebensolches - nicht ganz so selten kann das Ergebnis gar umso niederschmetternder sein.
Wenn also vor allem die Indiehampelmänner und -frauen "Tummaa" als "große Kunst" (Intro - wer sonst?) mit "faszinierendem Klangkosmos" (irgendwer - 's auch schon egal) und "live eingespielt, frisch und organisch-unmittelbar" (Kristina "Vakuumrübe" Schröder) bezeichnet, dann kann das nur zur Abschreckung dienlich sein. Ich hatte nach Delays fantastischem Opus "Whistleblower" tatsächlich große Bedenken, ob "Tummaa" die Qualität hält und sie sollten sich bestätigen. Delay agiert hier weitaus bestimmter und konkreter als zuvor, was erstmal nicht Schlimmes sein muss - aber dafür bleibt er im Verlauf der Tracks zu sehr an der Oberfläche, er begnügt sich mit offensichtlichen Standards und Sounds, die mich angesichts der Platzierung und ihres reinen Klangs verwirren. Und das ist ausdrücklich keine positive Verwirrung, das ist verwirrende Verwirrung, weil ich ihm diese billig und durchsichtig klingenden Aldi-Sounds nicht im Geringsten zugetraut hätte.
Bei aller Stringenz, mit der Delay beispielsweise den Albumopener "Melankolia" mittels Klangfetzen und einer Pianofigur aufbaut, erscheint er insgesamt doch seltsam ziellos. Die dargestellten Brüche ergeben keinen Sinn, sie führen nicht zum großen Endgegner, zum großen Bilderrahmen, der wenigstens einen Geschmack oder einen Dunst im Zaun hält, sondern eher in ein heilloses Durcheinander und einem "Touch & Go"-Mischmasch, dem es gefällt, mit überhöhter Geschwindigkeit an Tiefe und Gefühl vorbei zu rasen. Was soll man von einem Stück wie "Mustelmia" halten, das mit dem verzweifelten Versuch spielt, so irrelevant wie möglich zu erscheinen? Einzig das zerrissene "Toive" und das gute Titelstück können hier und da wenigstens einen Stimmung und eine größere Idee vermitteln, der Rest taucht in unnötigem Nichts umher.
Wenn mir außerdem jemand sagen kann, wo "Tummaa" die in verschiedenen Rezensionen immer wieder geäußerten "Jazz-Einflüsse" präsentiert, wäre ich ausgesprochen dankbar. Merke: nicht jedes traurig-klimperndes Piano ist gleich ein Fall für einen angedachten Distinktionsgewinn.
Erschienen auf Leaf, 2009