Platz 1
The Life And Times - Tragic Boogie
Ich habe nun schon wirklich oft genug die Größe von The Life And Times
im Allgemeinen und "Tragic Boogie"
im Speziellen auf diesem Blog erwähnt, und da dachte ich mir: ich mach's nochmal. Shoegaze, Indie und leichter Noise formen die Platte des Jahres, keine Diskussion.
Platz 2
SND - Atavism
Alleine im ersten hörbaren Sound von "Atavism" steckt mehr Tiefe und Wärme als in manch kompletter Banddiskografie. Mark Fells und Mat Steel knüpfen den Balla-Balla-Funkcore aus dem reinsten Weiß, das je ein Plattencover gesehen hat. Wo Frank Bretschneider auf "Rhythm" den Skelett-Funk entwickelte, tragen die Knochengerüste von SND Discokugeln im Schritt und die prächtigsten Pornoschnauzer seit YMCA. "Atavism" ist strategisch und verkopft, funky, aber nicht sexy und kann wohl deswegen nicht auf einem Label wie Warp, sondern muss eben zwangsläufig auf Raster Noton erscheinen. Manchmal denke ich mir, dass so eine neue Jimmy Edgar Platte klingen könnte, wenn der den ganzen Glitzer-Fummel mal im Körbchen liegen lässt und stattdessen Alpina Weiß schnüffelt. Macht nach einer Weile Kirre im Oberstübchen, aber so geht Leben, vermute ich.
Platz 3
Emeralds - What Happened?
Ein fürwahr faszinierendes Album. Ich kenne tatsächlich nur wenige Ambient-Platten, deren Einfluss auf Stimmung und Reizsensibilität trotz der sublimen und vernebelten Pfade ihrer präsentierten Musik so groß ist. "What Happened" berührt vom ersten Ton an, und das ist so beeindruckend, dass man die Aufmerksamkeit nur schwer auf etwas anderes lenken kann. Alleine der Opener "Alive In The Sea Of Information" kann in Sachen Aufbau und oszillierenden, sich wie Wellen auftürmenden Sounds, die ob ihrer Urgewalt beinahe physisch manipulieren, so dermaßen alles, dass nur ein vollkommen durchgeblödeter Zappelpiller gelangweilt abwinken würde. Das Trio aus Ohio ist alleine klanglich bisweilen auf einer qualitativ völlig anderen Ebene als die Konkurrenz: hier passiert nichts beiläufig, "What Happened?" ist durchgehend schmerzend relevant.
Platz 4
The Necks - Silverwater
Der britische Guardian bezeichnete sie im Zuge der Platte "Hanging Gardens" von 1999 als eine der besten Bands des Planeten, der Sydney Morning Herald adelte "Silverwater" als
"the finest studio album in their 22-year history"und vermutlich haben beide Recht. Das Konzept des australischen Trios, improvisierte Musik im großen Stil und weitgehend barrierefrei durch eine Platte gleiten zu lassen, bis sie nach meistens 50 bis 70 Minuten wenigstens formal zum Stillstand kommt, trägt die Band auch auf "Silverwater" wieder in den Olymp. Ihr Jazz-Ambient Sound ist immer noch und wieder ein grandioser Ohrenschmeichler mit unfassbar viel Gespür für die richtige Option. Der Titel hätte angesichts dieses mysteriös fließenden Traumspiels nicht besser gewählt werden dürfen. Ein fantastisches Artwork gibt's obendrauf.
Platz 5
Propagandhi - Supporting Caste
Jaleckmichamarsch! Ist das noch Punk? Ist das Metal? Nein, es ist Superdingens! Diese Songs können töten. Politische Sprengkraft in den Texten gepaart mit den unglaublichsten Punk/Hardcore-Songs der letzten Jahre ergeben ein Album, das mich zu Beginn total überforderte. Kompletter Informationsoverkill. Und die Kanadier verdrehten mir nicht nur im übertragenen Sinne den Kopf. Nach ungefähr 287 Durchgängen raffte ich zwar immer noch nicht viel, aber ich kann die Ahnungslosigkeit wenigstens in Worte fassen: technisch brilliant, höllisch komplex und doch catchy, die Produktion ist eine Sensation, die Gitarrenarbeit WELTKLASSE, die Songs schon jetzt legendär.