Clifford Thornton - Ketchaoua
Ich begann vor einiger Zeit damit speziell nach Jazz-Aufnahmen mit Beteiligung von Grachan Moncur III zu suchen. Sowohl seine Soloplatten, als auch die Werke, bei denen er als Sidekick auftritt (beispielsweise an der Seite von Jackie McLean), gehören für mich zu den großen Sternstunden des Jazz. Diese Suche trieb mich in die Arme von "Ketchaoua" des US-amerikanischen Trompeters Clifford Thornton, erschienen 1969 auf BYG Actuel. Moncur bildet hier gemeinsam mit Legenden wie Archie Shepp, Sunny Murray, Arthur Jones und Dave Burrell praktisch eine All-Star-Band.
Thorntons zweites Soloalbum (sein einziges für das französische Label) ist dabei ein durchaus guter Indikator für die Struktur von Jazzmusik zur damaligen Zeit. Gleich der Titeltrack und Opener ist Alles und Nichts: Jazz, kein Jazz, Kammerjazz und Folkjazz, Tradition und Moderne, Avantgarde und Roots. Ein zersplittertes, freies, gar psychedelisches, gut zwölfminütiges Werk, wie gemacht für einen Moncur. Seine Posaune setzt das erste Ausrufezeichen in einem flächigen, weit auseinanderdriftenden Ansatz. Diese Kraft und Dominanz. Diese Leidenschaft, dieses Selbstvertrauen. Wie üblich geht ihm nach einigen unfassbar fetten, langgezogenen Tönen die Luft aus....aber, mein Gott, dieser Einsatz!! Es klingelt noch Stunden später in den Ohren.
Die zweite Seite beginnt mit einem flackernden Orkan: "Brotherhood", diesmal mit Thornton, Jones, Beb Guerin, Earl Freeman, und Drummer Claude Delcloo, der alles aus sich heraus zu holen scheint, ist tosender Free Jazz, unbequem, überlagernd, höllisch laut und intensiv. Und es macht großen Spaß, diese Kakophonie zu hören. Wie Guerin am Bass und Delcloo harmonieren, wie sie sich letztendlich zu einem Ton formen und sich dabei auftürmen, wie sie zu einem ganz zentralen Element dieser Musik erwachsen. Großen Anteil an dieser Fokussierung hat sicher auch der Sound des Albums und besonders des Schlagzeugs: seltsam satt und dumpf, aber auch ungeheuer räumlich und offen. Bei dieser Bassdrum können Häuser einstürzen. Und wer abschließend eine knappe Zusammenfassung über "Ketchaoua" lesen möchte, was dieses Album darstellt, wie es sich anfühlt und schmeckt: der Rausschmeißer heißt "Speak With Your Echo (and call that a dialogue)" und besteht aus einem improvisierenden Bass-Duo (Freeman und Guerin) und einem solierenden Thornton an der Trompete. Das war's. Das hört sich nicht nur ungewöhnlich an, das klingt auch so. Und das fasst gut zusammen, was "Ketchaoua" ist: ungewöhnlich, suchend, und ziemlich mutig.
"Ketchaoua" von Clifford Thornton ist im Jahre 1969 auf BYG Actuel erschienen.