ENCHANT - BREAK
Ich habe neulich übrigens alle meine Dream Theater-Platten verkauft. Okay, alle bis auf die ersten drei Scheiben. Nicht, dass ich auf die Idee käme, sie mir künftig nochmal an zu hören, aber irgendwie halten mich die Erinnerungen an diese Musik und an die Zeit, in der sie entstanden ist doch fester im Griff, als ich es mir selbst eingestehen möchte.
Seltsam, dass mich meine seit locker 8 Jahren eigentlich ad acta gelegte Progressive Rock-Phase jeden Herbst auf's Neue einholt, und ich mich durch diese Mittneunziger-Neo-Prog-Soße aus dem Hause Inside Out hören muss. Dieses Jahr hat es mich mich mit den US-Amerikanern von Enchant gepackt; ihr viertes Album "Break" ließ mich schon bei dessen Erstveröffentlichung 1998 durchaus geplättet zurück. In den folgenden Jahren verlor ich die Band aber völlig aus den Augen, und ich konnte mich nur noch an diesen überirdischen Song "My Enemy" erinnern, der vor zehn Jahren fester Bestandteil eines jeden Mixtapes für das Auto war.
Durch einen Zufall hörte ich vor wenigen Wochen wieder einige Songs aus der Platte und ich war umgehend wieder angefixt, als wäre die Zeit stehen geblieben. Tatsächlich: nach neuerlicher intensiver Beschäftigung mit "Break" bleibt mir nichts anderes übrig, als das große "Weltklasse!"-Schild heraus zu holen. Zumindest, wenn wir über die erste Albumhälfte sprechen, auch wenn die zweite Hälfte nur Nuancen schwächer ist. Ich weiß allerdings auch heute noch nicht genau, was es ist, was ausgerechnet diese Platte so besonders macht. Ist es die gemütliche Wärme, die wohlige Melancholie, der Spalt zwischen sehr harmonischen Momenten einerseits und härteren, manchmal gar alternative-rockigen Gitarrenriffs andererseits, die stimmungsvolle und ruhige Produktion, der strahlende und überaus angenehme Gesang von Ted Leonard, der erfreulicherweise ohne das sonst typische Prog-Quieken auskommt, oder sind es die großartigen, melodisch vielschichtigen Kompositionen, die mit großer Leichtigkeit auf den Boden gebracht wurden?
Alles und nichts von alledem. Enchant kommen schlicht ohne schmockige Mucker-Eiterpickel aus und konzentrieren sich stattdessen auf weitgehend kitsch- und klischeefreie, dafür überraschend tiefsinnige Rockmusik, die weder eine aufgeblasene Muskelschau, noch einen übertriebenen Anspruch benötigt. Eine ganz, ganz feine Platte mit überragenden Songs.
Erschienen auf Inside Out Records, 1998.