03.10.2008
Der Jungbrunnen
Es gibt Platten, deren Spielfreude und Drive schon nach den ersten Sekunden derart mitreißen, dass das Funkeln in den Augen über die gesamte Spieldauer nicht erlischt. Kenny Dorhams "Afro-Cuban" aus dem Jahr 1955 ist eine solche Platte. Schon nach den ersten Takten des Openers "Afrodisia" ist klar: hier bleibt niemand ruhig auf seinem Stuhl sitzen. Mir ist bisher kein weiteres Jazzalbum untergekommen, dessen Groove und Swing so erbarmungslos jeden Muskel des Körpers förmlich attackiert.
In erster Linie liegt das an dem Percussionisten Carlos "Patato" Valdes, der seine Congas mit einer glühenden Wucht und Intensität bearbeitet, die alle anderen Musiker dieser Session mit in Brand setzt: Hank Mobley am Tenorsaxofon, der mit seinem bluesig-souligen Spiel ebenso begeistert wie Cecila Payne am Bariton, J.J.Johnson an der Posaune oder Art Blakey am schlagzeug. Dorhams hochmelodisches, dezent im Conga-Beat mitfließendes Spiel setzt zusammen mit der ausgezeichneten Brass-Section nicht nur harmonische Farbtupfer, sondern nimmt ebenso eine musikalische Entwicklung vorweg, die sich erst in den späten sechziger und frühen siebziger Jahren mit dem Salsa-Movement und dem Durchbruch lateinamerikanischer Musik in New York oder Miami manifestierte. Das muntere Spiel von Horace Silver am Piano und eine sich in schwindelnde Höhen groovende Rhythm-Section (mit Oscar Pettiford am Bass) machen diese Aufnahme zu einem der ersten Alben, die den positiven, lebhaften und unbeschwerten "Afro-Cuban"-Vibe mit Mainstream-Jazz aus dieser Epoche verbindet und auch 53 Jahre nach seiner Veröffentlichung noch taufrisch und völlig zeitlos klingt.
Selbst die Titel "K.D.'s Motion", "La Villa" und "Venita's Dance", die mit abgespecktem und leicht verändertem Line-Up (ohne Valdes und Pettiford; ihn ersetzt Percy Heath am Bass) eingespielt wurden swingen nicht zuletzt durch die Arbeit Art Blakeys immer noch wunderbar und erfrischend, sodass "Afro-Cuban" ohne Längen bleibt, dafür aber durchgängig die Glückshormone sprießen lässt.
"Afro-Cuban" von Kenny Dorham ist im Jahre 1955 auf BlueNote Records erschienen.
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