05.03.2023

Best Of 2022 ° Platz 17: Inhmost - Space & Awareness



INHMOST - SPACE & AWARENESS

"Space And Awareness" ist kein reines Ambient-Album. Sollte es auch nicht sein; Simon Huxtable wollte die Vielschichtigkeit seiner Eindrücke und Empfindungen aus jener Zeit einfangen, in der er ein sehr ausgeprägtes Bewusstsein für sein Umfeld entwickelte, für Menschen, Räume, Zeiten. So lassen sich hier, wie auch schon auf seinem Album "Everything Is New", Anleihen aus dem Downtempo sowie IDM-kompatible Beats finden. Sie sind Inhmosts Chiffre auf einem Album, dessen Nährflüssigkeit von einem Cocktail aus elegischer Nostalgie einerseits und den Verheißungen der Gegenwärtigkeit andererseits durchzogen ist. 

Das Gefühl, das "Space And Awareness" vermittelt, ist folgerichtig ambivalent - nicht zuletzt, weil die Ansprache über die Musik so klar, so unkompliziert ist. Ich nehme dennoch stets Schwingungen von Traurigkeit wahr, des Verlusts, des Vergangenen und Zerfallenen und zu gleichen Teilen die Sensation des Aufbruchs und der Jetztzeit. Ich rieche frisch gemähtes, nasses Gras genauso wie die Ausdünstungen ausgefranster Couchgarnituren, spüre den frischen Tau eines glasklaren Morgens auf der Haut und zeitgleich die Berührung des ausgeblichenen, beinahe durchsichtig gewordenen Hemds, das sich so weich und vertraut anfühlt. Und zwischen all das passt: Nichts. Da kommt eine Welle auf mich zu, die ich nur fühlen, aber nicht aufteilen, nicht differenzieren kann. Auf "Everything Is New" war das Überhangmandat zum lockeren Sepia-Sundowner am Strand klarer in diesen einnehmenden Sound gehängt - auf "Space And Awareness" hingegen ist Ganzheitlichkeit das bestimmende Element.

Und Eleganz. Das ausgerechnet in diesem Kontext zu äußeren, ist eigentlich nicht ganz fair, weil der Eindruck entstehen könnte, als sei "Everything Is New" ein Haufen lauwarmer Schlamm gewesen - und das war es natürlich nicht. Allerdings empfinde ich den ästhetischen Sprung, angefangen beim stilvollen Coverartwork bis hin zu den geschmackvollen Sounds als durchaus substantiell. "Space And Awareness" wirkt bisweilen kühl, als hätte man einem Bild im Temperaturfilter ein paar Grad abgezogen. Distinguiert, weil Reduktion für Klarheit sorgt. Introvertiert, weil Vergegenwärtigung nie im Außen passiert. 

Vor einigen Jahren machte ich die Bekanntschaft mit einem Parfum von Andrée Putman. "Prépération Parfumée" war ein auf jeder Ebene unscheinbarer Duft. Kein Marketinggetöse. Ungewöhnlich leise und mit feiner, subtiler Struktur; mit Noten von Treibholz und weißem Pfeffer fast durchsichtig. Als ein dazu passendes Bild erschien mir ein Frühlingsspaziergang entlang eines kleinen Bachlaufs in grauem Nieselregen als angemessen. Ich finde, "Space And Awareness" würde sich als Soundtrack für einen solchen Spaziergang geradewegs aufdrängen.


Vinyl: Single LP in schwarz. Kein Downloadcode. Einwandfreie Pressung. Das Design des Cover-Artworks sieht im LP-Format und mit der schwarzen Schallplatte einfach hinreißend gut aus. (+++++)


 


Erschienen auf Tonights Dream Records, 2022.

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