25.02.2021

Best of 2020 ° Platz 13 ° 36 & zakè - Stasis Sounds For Long​-​Distance Space Travel




36 & zakè - STASIS SOUNDS FOR LONG-DISTANCE SPACE TRAVEL

"Just sitting around waiting for this world to end."
(JUD)


Covid-Lockdown-Soundtrack, Teil 1: als im März des letzten Jahres die Situation erstmals so richtig ungemütlich wurde, die Angst das Zepter in die Hand nahm und plötzlich alles aus den Fugen zu laufen schien, war ich emotional in keinem guten Zustand. An meiner eigenen, konkreten Lebensrealität gab es nur wenige wirklich spürbare Veränderungen, aber es machte den Eindruck, als würden die Ängste und Sorgen eines ganzen Landes sich mit den meinen verbinden - und alles wurde gleichzeitig größer und dunkler und unberechenbarer. Die Dynamik aus den Anfangstagen dessen, was gemeinhin unter dem Begriff  "Lockdown" bezeichnet wurde, zusammen mit den minütlich auf allen Kanälen abgefeuerten Informationen, sowie die daraus stets wahrnehmbare Verunsicherung, empfand ich als äußerst unangenehm. Mich beeindruckte das sehr, seelisch wie körperlich. 

"Stasis Sounds For Long​-​Distance Space Travel" war (und ist) Klang gewordener Balsam in jener Zeit und es hat den Anschein, als sei diese Musik für genau solche Situationen gemacht worden. Der ursprüngliche Gedanke des Albums, "intended for the listener to embrace moments of stillness, quietude and reflection", neben einem Sci-Fi-Plot mit der Idee der künstlichen Stase, einem Schlafzustand, in dem man sich durch Raum und Zeit bewegt, ohne Raum und Zeit wahrzunehmen, morphte mit der Angst, sich künftig mit den guten Gästehandtüchern den Hintern abzuwischen, denn die kapitalistische Entsolidarisierung macht eben auch vor Scheißhauspapier nicht Halt, in ein kosmisches Hintergrundrauschen, das beruhigte und die Reise ins Innere, "die Reise ans Ende des Verstandes - für viele von uns nur ein Kurzausflug" (Schmidt) tatsächlich mit Zuversicht und Trost untermalen konnte. Es dauerte eine gewisse Zeit, bis ich das verstand - die kaum wahrnehmbare Schwingung, die minimalistische Dehnung in dieser Musik erscheinen zunächst blass, geglättet, sie fordern prima vista auch keine Emotionalität heraus. Erst über die Zeit erkannte ich die Tiefe in der Repetition, die Zuflucht in der Dürre, die Innigkeit des Nichts. 

Es ist überaus bemerkenswert, wie viel Macht Musik haben kann.


   


Erschienen auf Past Inside The Present, 2020. 

1 Kommentar:

Jakob 'Addliss' Dörre hat gesagt…

Interessant an Musik und deren Interpretation ist (unter anderem) der Wirkzusammenhang. Wenn du dich in einer bestimmten Lebenssituation befindest, kannst du ganz andere Dinge darin erkennen als einer bestimmten anderen.

Zudem ist dabei unklar, mit welcher Intention der*die Produzent*in herangegangen ist. Vielleicht ging es um die von dir interpretierte Wirkung, vielleicht auch nicht.

Hier verstehe ich, dass diese Musik diesen Eindruck auf dich hatte. Ich hingegen nutze sie zum Meditieren, also nicht für Trost und Zuversicht, sondern eher für Beruhigung einer sehr schnellen Umwelt. Wieder andere halten die Musik vielleicht für Langeweile, weil sie die Repetition als fehlende Weiterentwicklung betrachten.

Das macht Kunst teils so relativ egal (weil nicht feststehend) und doch so wichtig, um uns selbst im Kosmos zu verorten.