Wie sehr mich dieser Name schon zur Verzweiflung trieb. Mittlerweile ist es einfacher, die Internet-Suchmaschine mit dem Begriff "The Music" zu füttern und umgehend auf der Homepage der Band zu landen. Noch vor ein paar Jahren war es nahezu unmöglich, ihre Videos auch nur auf Youtube zu finden. Vergleichbar mit der Frankfurter Punkband "Pornoheft", da gestaltet sich die Suche ähnlich abenteuerlich, wenn auch - je nach Neigung - etwas frivoler.
Ist man nach nervenaufreibenden Youtube-Minuten dann endlich auf Videos dieser britischen Kapelle gestoßen und liest dazu die Kommentare der User - was man jedoch und ganz grundlegend niemals tun sollte, wenn einem die eigene Magenschleimhaut lieb ist - stößt man nicht selten auf Äußerungen wie
"Most underrated band EVER!!!"
oder
"It's a shame no one notices how awesome this band is!"
Immerhin: mir ist es aufgefallen. Seit ihrem selbstbetitelten Debut bin ich quasi "Fan", und wenn ich tief in mich gehe, dann erscheinen mir The Music als die talentierteste Disco/Rave/New Wave-Band der letzten fünfzehn Jahre. In erster Linie liegt das an Sänger Robert Harvey, einem schmächtigen Spargeltarzan, der gemessen an den Bandvideos die Ausstrahlung eines offenen Frischepacks mit Trockenpflaumen besitzt und im besten Fall als schüchtern durchgeht, hinsichtlich seiner Stimme und vor allem seiner immer wieder umwerfenden Gesangslinien jedoch locker in der Weltklasse mitmischt. Dass seine Stimmfarbe nicht jedermanns Sache ist, und sich die einschlägigen Musikmagazine besonders auf Harvey einschossen, bevor sie sich in spektakulären Verrissen suhlten, muss man wohl hinnehmen. Fallhöhe und so.
Das musikalische Gerüst im Hintergrund ist britischer, stylisher Rave-Pop für den Club, hoch melodisch, leicht psychedelisch, (fast) immer mitreißend und mit einem gar nicht mal so dünnen House-Pinselstrich verfeinert. Dabei sind The Music nicht dirty, dark und cool wie ihre Kollegen von Kasabian, oder zumindest deren Debut, geben sich stattdessen melancholischer, vielleicht auch etwas ernster und erdiger als die Konkurrenz. Vor allem auf dem schlimm unterbewerteten zweiten Album "Welcome To The North" aus dem Jahr 2004 enttarnte sich darüber hinaus auch ein veritabler Led Zeppelin-Vibe in ihrer Musik. Auf "Strength In Numbers", der dritten Langspielplatte nach einer gut zweijährigen Pause, ist der Geist von Robert Plant und Jimmy Page immer noch wenigstens als homöopathische Dosis, in der Aura des Albums, verfügbar. Allerdings straffte das Quartett hörbar seine Kompositionen, die jetzt noch straighter, melodisch noch ausgereifter und grundlegend tanzbarer erscheinen. Und auch wenn man blöderweise mit dem Titeltrack die durchschnittlichste Nummer als erste Single veröffentlichte, haben The Music allerspätestens mit "Strength In Numbers" ihren tatsächlich sehr eigenen Sound gefunden.
Trotz meiner Einschätzung, dass es sich bei "Strength In Numbers" um das bis dato beste Album der Band aus Leeds handeln könnte, habe ich den Eindruck, als ginge den Burschen langsam die Luft aus. Nicht unbedingt qualitativ, aber die Frage, ob ein viertes Album wirklich und unbedingt notwendig ist, schwebt einigermaßen unheilvoll im Raum. Hat man mit den drei Scheiben alles gesagt, oder geht da noch mehr? Die Entwicklung der Band ist zweifellos bemerkenswert, und es schlummert sicherlich noch Potential in den Köpfen und Finger der vier Briten, aber ich bezweifle, dass The Music ihrem Gesamtwerk künftig tatsächlich noch ein entscheidendes Stückchen hinzufügen können. Da kann sich auch mal die Erkenntnis durchsetzen, dass es genug ist. Zumal die Band auf ihr bisheriges Schaffen durchaus mit Stolz zurückblicken darf.
Update 2016: Ich hatte leider recht, die Band hat sich 2011 aufgelöst. Es gab kein viertes Album. "Strength In Numbers" ist eines der zehn besten Alben der 2000er Jahre.
"Strength In Numbers" von The Music ist im Juni 2008 auf Polydor erschienen.