BOLT THROWER - MERCENARY
"Why so heavy?" (Paul Baloff)
Bolt Thrower kündigten im Jahr 2008 an, keine neue Musik mehr zu veröffentlichen. Die Band, seit jeher mit einem so geradlinigen wie kompromisslosen Ethos ausgerüstet, machte deutlich, an ihrem selbst gesteckten Ziel, das perfekte Bolt Thrower-Album zu schreiben, mit dem 2005 erschienenen "Those Once Loyal" angekommen zu sein. Zumindest herrschten offensichtlich Zweifel, das Werk nochmal übertreffen zu können und damit der Tradition zu folgen, ihren einzigartigen Stil mit jeder neuen Veröffentlichung weiter zu verbessern und zu verfeinern. Mit dem unerwarteten Tod ihres langjährigen Schlagzeugers Martin Kearns im September 2015 hat sich das Thema so oder so erledigt. Bolt Thrower sind seit 2016 offiziell Geschichte.
"I can confirm that Bolt Thrower are definitely over for good. There will be no reunion tours. No compromise." (Karl Willetts)
Mit Blick auf die neunziger Jahre, und der Argumentation folgend, jedes neue Bolt Thrower-Album müsse also besser als das Vorangegangene, darf sich "Mercenary" aus dem Jahr 1998 die Siegermedaille aus dem Hause Dreikommaviernull abholen. Bei eingefleischteren Death Metal Fans könnte dieses Urteil für einige bioelektrische Gewitter in der Großhirnrinde sorgen, weil insbesondere die beiden Vorgänger "The 4th Crusade" und "...For Victory" einen größeren Kultstatus in der Diskografie haben - und gemessen am zeitlichen Kontext und der Transformation, die die Band vor allem zu Beginn der neunziger Jahre durchlief, ist das selbst für mich durchaus nachvollziehbar. Andererseits folge ich der (Selbst-)Einschätzung der Band und für die nun folgende Einlassung kommen zum Schädelgewitter womöglich auch noch ein Magendurchbruch und eine Fußamputation hinzu: für mich war bis einschließlich (!) des im Jahr 2001 veröffentlichten "Honour - Valour - Pride" jedes neue Bolt Thrower Album tatsächlich stärker als das Letzte. Lediglich das bereits erwähnte und von der Band als "perfekt" bewertete "Those Once Loyal" fällt für meinen Geschmack aus der Reihe.
Auf "Mercenary" stehen hingegen alle Regler auf zehn. Man spürt, dass die Band jede Komponente ihres ureigenen Stilmixes aus einem wirklich alles zermalmenden Groove, feierlichen und für Death Metal-Verhältnisse ungewöhnlich erzählerischen Gitarrenmelodien und der zwischen Abgekämpftheit und Angriffslust pendelnden Stimme von Karl Willetts nochmal angepackt, ausgepackt und optimiert hat. Alles ist ein bisschen größer, weiter, stärker. Vielleicht im direkten Vergleich mit den Vorgängern auch insgesamt mit etwas gedrosseltem Tempo, aber meine Leserinnen und Leser ahnen es bereits: alles für den Groove! Und fuck me, so viele Hits! Allen voran die beiden Klassiker "No Guts, No Glory" und "Powder Burns" (inklusive des 1989 auf "Realm Of Chaos" eingeführten und später mehrmals als Intro fortgesetzten "World Eater"-Themas), die beide zeigen, dass Melodien und Hooklines im Death Metal nicht automatisch ins Niemandsland des Melodic Death Metal führen müssen, einem der nach wie vor größten Missverständnisse des Heavy Metal.
"Mercenary" ist heavy. Sehr heavy. Außerdem heavy. Und nicht zuletzt ziemlich heavy. Darüber hinaus: heavy!
Vinyl und so: Obacht! Meine Reissue-Version aus dem Jahr 2021 hat große Probleme, und ich kann leider nicht sagen, ob das sämtliche Reissues und Farbvarianten betrifft. Qualitativ liegt das Vinyl von Metal Blade üblicherweise im höchsten Regal, aber hier gibt's einen Fuckup, der mir so auch noch nie zuvor unterkam: die Platte wird über die Spielzeit immer leiser. Der Opener "Zeroed" ist laut und ballert, aber schon das letzte Stück auf der A-Seite ist im Vergleich deutlich leiser. Die Entwicklung setzt sich leider auf der B-Seite fort. Ich hatte Metal Blade vor vier Jahren angeschrieben, aber (natürlich!) keine Antwort erhalten. Für das Original aus dem Jahr 1998 in gutem Zustand muss mit einem dreistelligen Betrag kalkuliert werden.
Erschienen auf Metal Blade, 1998.