31.08.2025

My Nineties Were Better Than Your Nineties - #184: Bikini Kill - Pussy Whipped




BIKINI KILL - PUSSY WHIPPED


“I won’t stop talking. I am a girl you have no control over. There is not a gag big enough to handle this mouth.” (Kathleen Hanna)



Knappe 25 Minuten brauchten Bikini Kill auf ihrem 1993 erschienenen Debutalbum, um die riot grrrl Bewegung in das Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit zu schießen. Mit abrasivem, chaotischem, lärmigem Hardcore-beeinflussten Punkrock, einer furios auftrumpfenden und keinen Stein mehr auf dem anderen lassenden Kathleen Hanna am Mikrofon - und feministischen Texten, die zu gleichen Teilen stark, selbstbewusst, wütend wie auch absolut deprimierend sind - oder zumindest sein können, wenn man sich vor Augen führt, in welcher Realität Frauen leben mussten (und immer noch leben müssen), dass es die selbst heute noch spürbaren Backpfeifen und Arschtritte in Text und Musik von Bikini Kill zum Wachrütteln brauchte. Und wie sich trotz des mittlerweile zweifellos prominenter geführten gesellschaftlichen Diskurses immer noch so erschütternd wenig getan hat. 

“White boy, don’t laugh, don’t cry, just die! 
I’m so sorry if I’m alienating some of you 
Your whole fucking culture alienates me”

Und gleichzeitig ist "Pussy Whipped" auch gerade für mich als weißen cis-Mann, der in einem von patriarchalischen Strukturen geprägten familiären Umfeld aufgewachsen ist und sich in den prägenden Jahren des Erwachsenwerdens zudem knietief in der nicht gerade für strahlenden Feminismus bekannten Metalszene herumtrieb, immer wieder eine Erinnerung daran, was hinter uns liegt - aber erst recht auch daran, was noch auf uns zukommen wird. Verständnis. Empathie. Mut. Allianzen. Konfrontation. Fehler - grundgütiger, wir werden alle noch so viele Fehler machen! Und es wird sich ziemlich sicher immer so anfühlen, als hätten wir nicht genug getan. Schlimmer Verdacht: weil wir nicht genug getan haben. Ich bin mir darüber im Klaren, mit der Verwendung des abstrakten "wir" ein rhetorisches Bein gestellt zu bekommen, weil's wieder mal jede Verantwortung mit einem nonchalant gemurmelten "Jaja, is' schon schlimm!" im nächstbesten Klo versenkt. Nur schnell weg hier bevor's ungemütlich wird. Es muss aber so ganz allmählich mal ungemütlich werden. 

Jedes Mal, wenn ich "Pussy Whipped" auflege, toben die Extreme in mir: einerseits komplette Euphorie darüber, dass es diese Aufruhr verursachende, laute, auf ungebremsten Kollisionskurs eingependelte Band gibt, die am liebsten alle Sackgesichter über den Haufen schießen möchte und gleichzeitig die Anerkennung darüber, selber Teil des Problems zu sein - und am Ende ebenfalls über den Haufen geschossen zu werden. 

Indes, wenn die Themen von 1993 im Kern tatsächlich immer noch die gleichen sind wie 2025, sage ich: zu den Waffen! 


Vinyl und so: Das Album hat auf Vinyl grundlegend eine ganz gute Verfügbarkeit, Reissues sollten nicht mehr als 25 Euro kosten, sind aber auch recht schmal aufgemacht. Für die Erstpressung von 1993 geht es aktuell bei etwa 60 Euro los.


 


Erschienen auf Kill Rock Stars, 1993.



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