14.01.2024

Best of 2023 ° Platz 19: interna - nach außen konziliant




INTERNA - NACH AUSSEN KONZILIANT

"I'm very fortunate to be surrounded by such stupidity." (Elaine Benes)


Im November 2023 bereiteten sich die drei Mitglieder von Blank When Zero auf den ersten Auftritt seit 2019 vor. Nach einer mehr oder minder erfolgreichen Probe saßen wir wie üblich zum Abkühlen in unserem keinen Nebenraum und sprachen über die voraussichtliche Setlist, über neue Platten und die gesellschaftlichen Verwerfungen in Zeiten des Postkapitalismus, als unser Bassist Marek plötzlich das Telefon zückte und in die Runde fragte, ob wir denn schon mal was von interna gehört hätten. "Da sind Leute von Keine Zähne Im Maul Aber La Paloma Pfeifen und Sie Kamen Australien dabei. Gerade rausgekommen. Ist geil!". 

Hatte ich nicht. Ich kenne streng genommen nicht mal die La Palomas, und es ist nicht nur als Musiker in einer Hardcorepunkband fast ein bisschen peinlich, das offen zuzugeben. Mir ist der Bandname freilich geläufig, aber den vergisst wohl auch niemand, sobald er denn mal den Weg ins Bewusstsein gefunden hat. Ihre Musik hatte ich aber noch nie gehört, und meine komplizierte Beziehung zu neuer Rockmusik im Allgemeinen und ganz besonders deutschsprachigem Punk im Speziellen, mag wohl (nicht) als halbsteife Entschuldigung durchgehen. interna hatten im Juni ihre erste Single "In der Terrassenwelt" veröffentlicht und für die B-Seite "Im Schwimmbad mit den Boys" ein Video gemacht. Und das schauten wir uns dann also an. Im Proberaum.

Die Kurzversion über das, was dann folgte: "Uff, der Schlagzeuger sieht ja aus wie ich." -"D...der hat sogar ein Blind Guardian-Shirt an!" -"Fuck, wie geil klingt bitte die Gitarre?!" "Der Bass isso tight!" 

Dann schallendes Gelächter bei der Textzeile 

"Bluesfossil vom Nachbarraum will mit uns jammen, wohl kaum"

anschließend Beinahe-Hysterie bei 

"Soloalbum mit meiner Frau, eine Platte rosa, eine blau." 

Zwei Tage später: "nach außen konziliant" ist bestellt. Ich will nicht schon wieder über Gebühr mit meiner des Öfteren so seltsam gespreizt formulierten Abneigung gegen aktuelle Rockmusik kokettieren, aber: das will schon was heißen. Und jetzt steht die Platte auch noch in meinen Top 20. 

Hurra! Irre! Boioioioiiiing!

Das Trio aus Kiel spielt...ich habe ehrlich keinen Plan, was das hier ist. Indiepunk? Postpunk? Progpunk? Postindie? Postprog? Was ich weiß: ihr Zusammenspiel ist traumhaft, die Rhythmen manchmal gar ziemlich tricky, sie finden an den genau richtigen Stellen den genau richtigen Drive, da ist viel Luft zwischen den Instrumenten - und eine Reduziertheit, die mich hier und da entfernt an Antelope erinnert (über deren leider einziges Album "Reflector" ich hier schonmal eine Art Heiligenschein anknipste) und aus der ein unwiderstehlicher Groove entsteht - und natürlich die Texte, die zu gleichen Teilen so schlau wie obskur sind, sodass ich oft nur eine diffuse Ahnung davon habe, was sie denn eigentlich bedeuten könnten. Aber eine diffuse Ahnung ist besser als der Spatz in der Hand, right?! Right!

Zigaretten rauchen
In der Sonne frösteln
Das bisschen Heroin

Es macht einfach großen Spaß, diese Platte zu hören.


   



Erschienen auf Waldinsel Records, 2023


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