06.03.2021

Best of 2020 ° Platz 11 ° Downscope - Nature's Canvas III




DOWNSCOPE - NATURE'S CANVAS III

Bring me the snowfall, bring me the cold wind, bring me the winter
(New Model Army)


Downscope macht es mir mit meiner Begeisterung über seine Musik nicht leicht. Der in Washington DC lebende Künstler hat seit Jahren einen Ausstoß an neuer Musik, der mich völlig überwältigt und selbst, wenn ich alles hören wollte, was er produziert und veröffentlicht, ginge es erstens meinem sowieso schon unterirdisch miesen Zeitmanagement und zweitens meinem Konto an den Kragen: seine Bandcamp-Diskografie listet bis Mitte Februar 2021 sage und schreibe 134 Releases, die man zum bereits um 40% reduzierten Preis von knapp 600 Euro in der Komplettsammlung kaufen kann. Hinzu kommen ausgewählte physische Varianten mit zwischen 5 und maximal 30 Exemplaren pendelnden sehr kleinen Auflagen aus vermutlich eigenhändig hergestellten Tapes und CDs. Maximum DIY. Engage. 

Meine erste Begegnung mit seiner Musik fand im vergangenen Sommer mit "Drifting Forward" statt, einer Art Minimal Dub Techno mit überlangen, an seidener Monotonie aufgehängten Tracks für stylisch-urbane Architekten mit Hang zum narkotisierendem Opiumrausch. Und weil ich das Album im Corona-Sommer nicht nur so ausgiebig hörte, sondern dessen beruhigende Qualitäten auch bis heute im Corona-Winter 2.0 sehr zu schätzen weiß, war die Nominierung für die Top 20 Liste im Grunde nur noch Formsache. Aber dann kam "Nature's Canvas III", Bestandteil einer kuratierten Edition von über 5 Stunden Musik: 

"Over five hours of softly rhythmic, ambient dub techno scores for your enjoyment. These pieces were composed as a tribute to mother nature’s lament, smothered by humanity." 

Ich kann mich der Faszination dieses 72-minütigen Herzschlags der Natur nicht entziehen. 

Wer noch nicht im Wachkoma vor sich hin- und also wegdämmert, erinnert sich möglicherweise an meine vor wenigen Wochen hier kurz niedergeschriebene Erzählung von dem gemeinsamen Urlaub mit der Herzallerliebsten und dem plüschigen Fellmonster im norddeutschen Niemandsland. Nach einem Tag am eisigkalten Strand mit Sturmböen und wie Bindfäden herunterfallenden Regens, war "Nature's Canvas III" der Soundtrack zur abendlichen Sauna-Sause, inklusive einer außerkörperlichen Erfahrung zwischen Wach und Schlaf, als dieser stoisch dahinschlurfende Puls das Steuer zu übernehmen schien und mich auf Händen durch Raum und Zeit trug. Er führte mich durch jene Zwischenwelt, die das Bewusste vom Unbewussten trennt, das Erleben vom Ertragen, die Hoffnung von der Aufgabe - und begann nach einiger Zeit damit, die Grenzen einzureißen: die im Inneren amalgamieren, die im Außen expandieren. Schnittstellen werden zu Verläufen, einstige Barrieren werden durchlässig, porös; sie werden zu Filtern, schwingen und vibrieren und adaptieren die neue Ordnung der Unordnung. Es sind diese kurzen und überaus raren Momente des Lebens, in denen Wahrheit und Bestimmung in einem Sekundenbruchteil zu Gestalt werden, sie sich zu einer Formation zusammenfinden, die das Chaos überwindet.

Es spielt keine Rolle, dass sich die Struktur umgehend verflüchtigt. Das Wissen von ihrer Existenz ist mir genug.


   



Self released, 2020.



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