GOGO PENGUIN - MAN MADE OBJECT
Als ich vor einigen Jahren Nik Bärtsch's Ronin auf der Bühne im Innenhof des Historischen Museums in Frankfurt sah, an einem schrecklich unpassend strahlend sonnigen Sonntagmorgen und zudem zu einer Zeit, die mein Vater und seine Kumpels bis an ihr aller Lebensende als "Frühschoppen" in jeden Terminkalender reingekritzelt hätten, gab es ein großes Hallo, als dem Moderator nach dem Auftritt des Züricher Quintetts beim Vorlesen des Konzertplans für die kommenden Tage der Nachsatz "...dann gibt's auch wieder richtigen Jazz" aus den Stimmritzen fiel. Die Band, noch auf der Bühne stehend und den warmen Applaus der Zuschauer empfangend, lächelte gequält, ein paar ganz eiserne Betonköpfe auf den Bierbänken johlten laut auf und Herr Dreikommaviernull, in charmanter Begleitung der Herzallerliebsten, gab den Captain Picard.
Etwas ähnliches hätte an diesem Sommertag in Frankfurt aus dem Trio aus Manchester passieren können. GoGo Penguin veröffentlichten zunächst zwei Alben auf Matthew Halsalls Label Gondwana Records, ehe die französische Abteilung des großen Majors zuschlug. Blue Note, nach außerordentlich bewegter Geschichte mittlerweile unter dem Dach der Universal Music Group angekommen, ließ kaum die Tinte unter dem Vertrag trocknen und veröffentlichte alsbald das dritte Album "Man Made Object" im Frühjahr 2016.
Jazz ist das nicht. Oder doch?
Pianist Chris Illingworth, Bassist Nick Blacka und Rob Turner am Schlagzeug verbinden eine Mixtur aus Post Rock, Trip Hop und Drum'n'Bass mit einem klassischen Jazz-Pianotrio und zaubern daraus einen elektroakustischen Zaubertrank. Ein atmosphärisch nokturnes, nur von den hypnotisierenden, virtuosen und ganz zentral arrangierten Pianomelodien aufgehelltes Verschachtelungsmonstrum, in dem Rob Turner einen dicht verästelten Wald aus Beats, Fills und Wirbeln entstehen lässt. Und Nick Blacka ist bei Weitem nicht nur dafür da, mal untenrum schnell beizuschneiden und ansonsten den Jahresringen beim Wachsen zuzuschauen - er ist möglicherweise der eigentliche Puls dieser Band, dirigiert die Songs durch hyperaktiv getackertes Gestrüpp wie durch ozeanische Weite und Leere und setzt sowohl harmonisch als auch tonal immer wieder entscheidende Akzente. Die Virtuosität und das Talent des Trios reißen mich immer wieder zu heiseren Jubelschreien hin - denn auch wenn GoGo Penguin sich weniger um die Entwicklung ihres Sounds im Sinne eines freien Spiels mit Möglichkeiten und dem Erforschen von Grenzen, als viel mehr um feste Strukturen, auskomponierte und bei aller Komplexität durchaus aufgeräumte Songs kümmern, ist es ein Erlebnis diesen Wahnsinnigen zuzuhören. Und gleichfalls, wie im April im Offenbacher Hafen 2 geschehen, ihnen zuzuschauen. Ein schüchterner, in sich versunkener und introvertierter kleiner Haufen Briten, die zwar "nur" ohne große Worte ihren Stiefel runterspielten, aber: so einzigartig stiefelt gerade auch kein anderer.
Erschienen auf Blue Note, 2016.
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