17.08.2016

The Blue Moods Of Josh




SPAIN - CAROLINA


Es ist derzeit praktisch unmöglich, das sechste Album von Spain zu hören, wenn die Herzallerliebste im selben Raum ist. "Carolina" kratzt mit seiner teils sehr plakativen Auskostung von Depression, Untergang und Leid selbst mir bisweilen gehörig an den Nerven, Frau Dreikommaviernull hingegen hat sich mittlerweile für den ein oder anderen Song auf "Carolina", auf dem sich Sänger und Bassist Josh Haden ganz besonders tief in der Verzweiflungssuppe suhlt, Alternativtexte verfasst und trötet mir ebenjene ins Ohr, wenn ich die Platte mal wieder aufgelegt habe:

"Ich war zuhause und es ging mir schleeeeeecht,
dann bin ich raus gegangen und mir ging's immer noch schleeeeeecht."

Ich kann nicht sagen, dass ich es ihr verdenken kann. "Carolina" beispielsweise an einem sonnigen Sommermorgen auf dem Weg zur Arbeit im Auto zu hören, ist eine Herausforderung, die ich schon mehr als nur einmal verloren habe. Andererseits hat Josh vor zwei Jahren seinen Vater Charlie verloren und sagt zum ersten Album nach dessen Tod:

The album has a decided Americana/Alt-Country feel and includes songs I wrote for my dad, for my childhood, for you, homesteading time-travel, the Great Depression, Timothy Leary, a historic U.S. Revolutionary War battle, couples breaking apart and getting back together, a mining disaster, and Mother Earth. The front cover also features an image of me. In other words, a little different from past Spain albums.“

Und im Grunde stimmt das alles, "Carolina" ist tatsächlich anders - es ist näher, intimer, bohrender und an einigen Stellen wirklich prädestiniert für einen Griff ins Tablettenfach der Hausapotheke, Abteilung "Koma". Und auch wenn die vorangegangenen fünf Alben der Band nun wirklich keine ausgelassene Abrissparty feierten, so hat "Carolina" eine deutlich trübere Grundstimmung und zeitgleich eine klarere Ansprache - und für diese Kombination muss ich in Stimmung sein. 

Vor einigen Tagen war es offenbar endlich mal soweit. Es war schon halb elf am Abend, das Wohnzimmer hatte sich dank Temperaturen um die 30°C ordentlich aufgeheizt, der Ventilator quirlte die Miefsuppe ordentlich durch und sorgte wenigstens für ein bisschen Abkühlung, das Licht war heruntergedimmt, das Fenster zum Hof war weit geöffnet - selbst den beiden Katzen war es zu anstrengend, auf die Fensterbank zu springen und mich mit in die Fliegennetze gehackten Krallen zu ärgern. In dieser Situation lief "Carolina" in angemessen hoher Lautstärke auf dem Plattenspieler, beschallte gleich meine angrenzende Hood mit und bekam die finale "Approved"-Medaille. Wenigstens von mir, die Herzallerliebste bleibt nach wie vor skeptisch. Was ich aber eigentlich schreiben wollte: es braucht bisweilen etwas Überwindung, aber gegen die immer noch grandiosen Kompositionen Hadens wie "Station 2", "Lorelei" "Starry Night" oder "Battle Of Saratoga" kann ich mich dann am Ende des Tages, literally, auch nicht mehr wehren. 






Erschienen auf Glitterhouse Records, 2016.

Keine Kommentare: