DEATH - ...FOR THE WHOLE WORLD TO SEE
Schon der Einstieg, die ersten Sekunden des Openers "Keep On Knocking", eignet sich für das erste zaghafte Ausflippen: Jimi Hendrix hat bei den Stooges gespielt. Jetzt ist's raus. Und King's X-Sänger und Bassist Doug Pinnick hat schon 1974 in einer afro-amerikanischen Punkband gespielt. Tjaha! Wenigstens macht sein Alter jetzt Sinn, aber...warum weiß ich davon nichts?
Und noch schlimmer: warum wisst ihr nichts davon?
Wir reden bei Death selbstredend nicht von der gleichnamigen und mittlerweile nicht mehr existenten Death Metal Band aus Florida, sondern von den drei Brüdern Bobby Hackney (Bass, Gesang), Dannis Hackney (Schlagzeug) und David Hackney (Gitarre), die 1974 in ein Studio in Detroit spazierten, um unter der Leitung von Jim Vitti insgesamt zwölf Songs für ihr Debutalbum auf dem Label Groovesville Productions einzuspielen. Dessen Inhaber, Don Davis, reichte zu jener Zeit ein paar Demotracks an befreundete Labelmanager herum, und Clive Davis von Columbia Records hatte kurz darauf angebissen. Da war sie also, die Chance auf einen großen Deal. Der Haken: Davis wollte, dass sich die Hackneys einen anderen Namen für ihre Band aussuchten, Death sei nun wirklich nicht so irrsinnig verkaufsfördernd. Gitarrist David stellte sich stur, sah sich in seiner künstlerischen Freiheit eingeschränkt und lehnte vehement ab. Death würden ihren Namen auf keinen Fall ändern. Als Ergebnis nahm man statt der geplanten 12 Tracks nur 7 auf - und jene wanderten umgehend in einen Labeltresor. In dem sie die nächsten 35 Jahre herumlagen. Death verschwanden von der Bildfläche und gingen durch die Mitte der siebziger Jahre einsetzende Disco-Welle unter. Und alles, was sie hatten, war eine auf 500 Stück limitierte Single mit den beiden Tracks "Politician In My Eyes" und "Keep On Knocking". Dass die Bad Brains übrigens diese Single solange auf ihrem Plattenteller rotieren ließen, bis sie jede Note in ihre DNA aufgenommen hatten, ist hierbei übrigens bloß ein Gerücht.
2009 veröffentlichte das Drag City Label die sieben aufgenommenen Songs unter dem Titel "For The Whole World To See" erstmalig auf LP und CD. Das weiter oben erwähnte "Keep On Knocking" wurde mir einige Tage vor der offiziellen Veröffentlichung als erster Song unter die Nase gerieben, und ich wurde tatsächlich recht umgehend ziemlich wuschig: eine rauhe, krachige, laute Produktion, ein durch Funk- und Soul-Elemente zersägter Protopunk mit tadelloser Energie. Kein außer Kontrolle geratener, schmutziger Garagenrock der MC5 oder gar der Stooges - Death waren äußerst akurat, dabei völlig uneingebildet lässig und cool. Und auch wenn nicht jeder der sieben Songs auf meinen Lieblingslisten landen wird, das zähe und leicht psychedelische "Let The World Turn" fällt mit seinen sehr ruhigen Parts ziemlich aus der Reihe: "For The Whole World To See" hat mindestens vier todsichere Klassiker im Köcher. Und einen dieser Klassiker möchte ich besonders herausstellen: "Politicians In My Eyes" ist der goße Moment dieser Platte. Hymnisch, mit toller Schlagzeug- und Gitarrenarbeit, treibend, gefährlich - für knapp sechs Minuten jammt sich das Trio in einen wahren Rausch.
In einem launigen und tragisch-glücklichen Interview mit dem Nackedei-Magazin Suicide Girls erzählen Bobby und Dannis (Gitarrist David starb im Jahr 2000 an Lungenkrebs) von dem Erlebnis als ihre eigenen Kinder die vermeintlich vergessen Musik ihrer Eltern auf einer Party in Kalifornien hörten und das möchte ich Euch nicht vorenthalten:
"Well, he [Bobbys Sohn] called me up and he said, "Hey Dad, did you know these people are groovin' to your music at these underground parties? Every time they play you, the crowd goes wild, and people just rush the dance floor." I'm like, "What are you talking about? Lambsbread?[die später gegründete Reggaeband der Brüder]" I thought he was talking about our reggae band, you know? He was like, "No, Dad, you were in a band in the '70's called Death." And then I got a little quiet ... [laughs] It was just kind of a shock for us to find this out."
Erschienen auf Drag City, 2009
P.S.: Drag City veröffentlichten im Jahr 2011 mit "Spiritual • Mental • Physical" eine Compilation aus Demos und Session-Outtakes.
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