27.10.2011

It's Oh So Bright


Q AND NOT U - DIFFERENT DAMAGE

Ich bin ja grundlegend ein ziemlich begeisterungsfähiger Typ. Wenn mir beispielsweise Musik gefällt, dann gefällt sie mir meistens so gut, dass ich letztlich nur noch zu den mehr oder minder bekannten Fantasterbar-Formeln greifen kann. Ein inflationärer Gebrauch ist das Risiko, das es zu tragen gilt - da ich andererseits aber auch ein spießiger Vollmusiknazi bin, der (i) nur wenig eben so richtig gut findet und (ii) sich an kleinsten Nuancen stören kann (was oftmals sehr irritierend für Menschen in meinem Umfeld sein kann - verzeiht mir!), schätze ich die Gefahrenstufe nicht über Gebühr hinaus auf Stufe Rot ein.

Im Falle von Q And Not U, einer leider bereits aufgelösten Formation aus Washington DC, die drei Alben via Dischord veröffentlichte, sehe ich die Gefahr nicht, komplett am vielbeschworenen Rad zu drehen, aber my goodness: die waren gut. Dabei ist es eine seltsame Geschichte zwischen ihnen und mir. Ich hatte sie seit Jahren auf dem Schirm, selbst nach ihrer Auflösung hatte ich immer mindestens eine Platte auf irgendwelchen Mailorder-Wunschzetteln herumfliegen - aber ich habe bis vor einigen Monaten nie eine ihrer Platten gekauft. Ich startete dann endlich mit dem Abgesang "Power" aus dem Jahr 2004 und zog nun mit Album Nummer 2 nach. "Different Damage" litt anfangs unter meiner, durch Rezensionen von offenbar hörgeschädigten Pavianen, die zufällig auch mal über Musik schreiben durften, fehlgeleiteten Vorstellung über ihre Musik. Ich erwartete Ausbrüche, Geschrei, Kraft und Chaos - und bekam zunächst nichts von alledem. Gut, charmant war das schon, es war ein bisschen abgedreht, und dass die Jungs wussten, wie man die Arrangements schön verzwirbelt, konnte ich auch hören. Aber ich wollte doch etwas ganz anderes. Wollte ich nicht?

Nach vier Durchläufen war alles vergessen, und ich wollte gar kein Geschrei und Chaos mehr. Viel mehr sah ich mich wie in alten Tagen zu den Füßen meiner Lautsprecher sitzen, ich hielt das Textblatt in den Händen - ich muss zugeben, dass die meisten Platten, die ich mir heute so kaufe, gar keine Texte mehr haben, weshalb das beschriebene Vorgehen (leider) eine Seltenheit geworden ist - und verfolgte also jedes gesungene Wort mit den Augen und jede gespielte Note mit den Ohren und scheißrein: das ist Indie/Postcore im ALLERbesten Sinne, das ist so losgelöst, dabei kein bisschen abgehoben, in seiner Schieflage ungeheuer kraftvoll und inspirierend. Hier und da liegen noch ein paar Überbleibsel von Vater Punk und Mutter Hardcore herum, aber im Vordergrund stehen einfallsreich gestrickte Gitarrenspielereien, das alles nach vorne treibende Schlagzeug und ein toll arrangierter Gesang. Und:
es ist viel schwieriger und in der Folge lohnender, das Chaos derart transparent darzustellen, als es von einer Wand aus Lärm überdecken zu lassen. Hier gibt es viel zu Entdecken.

Es wäre total super gewesen, hätte ich mir schon früher einen Ruck gegeben und sie kennengelernt. Wieder mal ein "Fail!" aus dem Hause Florian. Sei's drum.

Erschienen auf Dischord, 2002

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