30.01.2011

2010 #7 - Zola Jesus °° Stridulum II

Im Reich der Düfte sagt man, es gäbe zwei Merkmale, die ein gutes Parfum ausmachen: Melancholie und Mystik. Legt man diesen Maßstab auf "Stridulum II" an, handelt es sich entsprechend um ein gutes Parfum, Blödsinn: eine gute Musik, denn wenn dieses Debut (rechnet man einige Kollaborationen mit Aurora Borealis, Sacred Bones und Die Stasi nicht mit ein) von zwei Attributen geprägt wird, dann sind es - genau: Melancholie und Mystik. 

Zola Jesus ist in erster Linie die Stimme von Nika Roza Danilova, einer professionell ausgebildeten Opernsängerin aus Wisconsin, die unter der Leitung von Produzent Alex DeGroot neun Songs für ein dunkel schimmerndes, waviges Synthie-Pop Album aufnahm, das mich auch heute noch mit einigen Fragezeichen zurücklässt. Zum einen halte ich mich für gewöhnlich von allem, was auch nur im Entferntesten auf die Schublade "Gothic" hinweist, so fern wie ein Kaninchen vor einem Wolfsrudel - wir sind praktisch natürliche Feinde. Wenn nun der geneigte Leser angesichts meiner bekannten Dead Can Dance-Verehrung fröhlich die Hände zusammenpatscht, weil die ja schließlich die Blaupause für alles, was auch nur im Entferntesten auf die Schublade "Gothic" verweist seien, sehe ich mich durchaus in Erklärungsnot. Die einfachste Variante wäre jetzt wohl zu sagen, dass Dead Can Dance für mich nichts dergleichen symbolisieren und weil es nicht nur die einfachste, sondern auch die wahrhaftigste Antwort ist, spiele ich den Joker also nun aus. Hätten wir's dann? 

Denn auch die Musik von Zola Jesus ist auf den ersten Blick nicht frei von entsprechenden Verweisen, was mir mein direkt am Schallgesims fest installierter "Anti-Gothic"-Geigerzähler mehrfach bestätigte. Nachdem ich feststellen musste, dass das Suchtpotential von "Stridulum II" über die letzten Monate geradewegs erschreckende Ausmaße angenommen hat, war ich mir selbst gegenüber in Erklärungsnot. Eigentlich dürfte ich das per se gar nicht hören, andererseits war's mir gerade, pardon, scheißegal! 

Zum anderen habe ich aus dieser Frage resultierend echte Kategorisierungs- und Definitionsprobleme. Die allgemeine Stimmung auf "Stridulum II" ist romantisch und surreal, alle Strukturen und Melodien sind im dicken Nebel versunken. Schemenhaft wie eine Galeere, die wie von Geisterhand bewegt wird, treibt die Musik über einen unsichtbaren Untergrund, stolz und majestätisch. Es ist ein merkwürdiger Zwiespalt aus der sich vor allem in der Stimme zeigenden und wie in Beton gegossenen Stärke und einer zeitgleich unkonkreten, verschwommenen Verheißung derselben. Derselbe Gegensatz ließe sich auch auf das Wechselspiel von Licht und Schatten anwenden. Könnte zunächst der Eindruck die Oberhand gewinnen, Zola Jesus präsentieren hiermit den Soundtrack für die nächste Weltuntergangsparty, so schleppend und depressiv Songs wie "I Can't Stand" wirken, fiel für mich der Groschen, nachdem ich mich der Anziehungskraft dieser Musik nicht mehr entziehen konnte und wollte: Zola Jesus ist eine Kämpferin des Lichts. Die Kraft in ihrer messerscharf inszenierten Stimme kann unmöglich für den Untergang taugen. Sie treibt an, sie inspiriert, sie ist das hellste Licht, das diese trüben Tage erhellt. Ein Lebensspender.

Erschienen auf Souterrain Transmissions, 2010.

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