07.01.2011

2010 #13 - Leatherface °° The Stormy Petrel

Ich war wohl nicht der einzige, der Leatherface ein solches Album nicht mehr zugetraut hätte, aber ich war in der Folge auch nicht der einzige, der schnell einsehen musste, sich geirrt zu haben. Das Quartett um Frankie Stubbs hatte seit dem Album "Dog Disco" aus dem Jahr 2004 ihre Funkstille eingehalten, was sicherlich dabei half, die Band bereits in den ewigen Jagdgründen zu verorten. Aber Stubbs ist wie Herpes: er kommt immer wieder. 

Leatherface leiden immer etwas unter der Existenz der Klassiker in ihrer Diskografie: "Cherry Knowle" und vor allem "Mush" gelten auch 21, beziehungsweise 18 Jahre nach ihrer Veröffentlichung als endgültige Sternstunde der Briten - sowas ist für die weitere Karriere selten förderlich, weil jeder neue Ton an den Meilensteinen gemessen wird. Mein persönlicher Favorit war bisher "Minx" von 1993, wohl weil es damals meine erste Berührung mit Leatherface darstellte (Danke, Dirk!). 

"Horsebox" aus dem Jahr 2000 war nach einer fünfjährigen Pause eine positive Überraschung, während die erwähnte "Dog Disco" Langspielplatte bei den alten Fans nicht unumstritten war. "The Stormy Petrel" (mit einem traditionell beschämenden Coverartwork) ist somit die dritte Scheibe innerhalb von zehn Jahren und sie haben sich wirklich nochmal zusammengerissen. Gitarrist Dickie Hammond hatte laut einer vertrauenswürdiger Quelle schon im Herbst 2009 während der Angelic Upstarts-Tour von dem Album geschwärmt und konnte es selbst kaum glauben, dass sie nochmal eine solch hochklassige Sammlung von Songs schreiben konnten: im Grunde befinden sich auf "The Stormy Petrel" ausschließlich Hits. Hits, Hits, Hits. Man muss freilich schon eine Affinität zu ihrem Sound haben, meine Herzallerliebste bekommt nach eigener Aussage Halsschmerzen, wenn sie die Stimme von Frankie hören muss und verlässt grundlegend und unter Protest den Raum, in dem Leatherface läuft. Aber wenn man die krächzende Reibeisenstimme in sein Herz geschlossen hat, kommt sie da auch nicht mehr so einfach raus. 

Natürlich sind sie heute nicht mehr so laut oder schnell wie noch vor 20 Jahren, natürlich hört man der Stimme noch mehr als früher an, dass sie eigentlich total kaputt ist, natürlich lässt man es grundlegend ruhiger angehen. Aber ihre Melodien sind immer noch schlicht überragend. "God Is Dead" gerät mit leicht progressivem Einschlag als Einstieg überraschnd poppig, aber dann, ABER DANN! "My World's End", "Never Say Goodbye", "Another Dance", "Diego Garcia", "Disgrace", "Belly Dancing Stoat", "Isn't Life Just Sweet", "Hope" - allesamt sensationelle, hochmelodische Punkrocksongs mit enormen Tiefgang und grandiosen Hooklines, die dich künftig auf Schritt und Tritt verfolgen. Einzig das doch arg weichgespülte "Broken" will mir nicht so recht den Einlass in die Hall Of Fame finden, aber das ist bei der Qualität aller (!) übrigen Tracks durchaus zu vernachlässigen.

Es war ein toller Sommer mit dieser Platte.

Erschienen auf Big Ugly Fish, 2010

2 Kommentare:

Bendrix hat gesagt…

Broken natürlich eine unglaubliche Schnulze. Wird aber durch Stubbs Gesang vor der Peinlichkeit gerettet, was es dann eigentlich doch zu einer ziemlich geilen Schnulze macht, finde ich.

Flo hat gesagt…

"Peinlich" kommt mir weniger in den Sinn - wobei, jetzt, wo Du es sagst: dieser Gitarrenteil da in der Mitte ist schon ziemlich, naja, peinlich. Da muss ich mich schon mal zwicken, ob das wirklich noch Leatherface ist.
Ich finde den Song natürlich nicht grottenmies, aber "The Stormy Petrel" läuft (fast nur) im Auto und da skippe ich "Broken" (fast immer) weg.