28.01.2010

2000-2009 #4: I'm Not A Gun - We Think As Instruments


Ein ungleiches Paar: Techno-DJ John Tejada und der japanische Jazzgitarrist Takeshi Nishimoto lösen die Grenzen zwischen analoger und digitaler Musik mit einem Wisch auf und erschaffen mit "We Think As Instruments" einen träumerisch-beseelten Sound, der im großen Klang-Schmelzkessel leise vor sich hinköchelt. Getragen von der gemeinsamen Vision für ihre Musik, schlängeln sich die beiden durch Jazz-, Chicago Postrock-, Klassik- und Folk-Terrain, ohne sich dabei lediglich auf die Wirkung eines japanischen Gartens in den frühen Morgenstunden, kurz nach Sonnenaufgang und leichtem Nieselregen zu verlassen. Dass "We Think As Instruments" trotz der ätherischen Ausrichtung eine großartige Songsammlung ist, erkennt man auch gut im direkten Vergleich mit seinem zwei Jahre später erschienenen Nachfolger "Mirror", der zwar die selben Zutaten verwendete, aber um einiges schludriger und uninspirierter klang. Wer's nicht glaubt, hört einfach das wunderbar ausgewogene "Blue Garden", mit dem man jeden verdammten Frühlings-/Sommer-/Herbsttag aufstehen, frühstücken und Zeitung lesen möchte. 

Vielleicht ist der Drops auch nach dieser Platte einfach gelutscht: viel besser mag man es sich kaum vorstellen. Und dieses Cover....ALSO DIESES COVER!!!!

Erschienen auf City Centre Offices, 2006

24.01.2010

2000-2009 #3: Godspeed You! Black Emperor - Yanqui U.X.O.

Auch wenn sich für das vorerst letzte Godspeed You! Black Emperor-Album der dank beeindruckender Werke wie "f#a#infinity" oder "Lift Your Skinny Fists Like Antennas To Heaven" in den Jahren zuvor mächtig aufgewirbelte Staub wieder etwas gelegt hatte, und einige Quatschköppe den Kanadiern gar Wiederholung und zunehmende Irrelevanz vorwarfen, ist "Yanqui U.X.O." für mich ein weiterer, wenn nicht sogar der definitve Meilenstein im Schaffen dieser außergewöhnlichen Band, und damit gleichzeitig das letzte wirklich wichtige und große Postrock-Album. Danach gab es für dieses Genre keine offenen Fragen mehr, sondern nur noch in Granit eingemeißelte und für jeden immer und überall sicht- und hörbare Antworten. Die Band erfand das Rad auf ihrem vierten Album natürlich nicht neu, aber sie perfektionierte es. Und sie tat es mit einer gewaltigen Wucht und Wut, mit großer Leidenschaft und großer Verachtung für diejenigen, die diese Welt in den Dreck ziehen. Sowohl der Titel (Yanqui ist das spanische Wort für Yankee, U.X.O. steht für "unexploded ordnance", also nicht zur Explosion gelangte Bomben oder Granaten), als auch das komplette Artwork mit den auf der Rückseite abgedruckten Verflechtungen großer Major-Labels mit der Rüstungsindustrie, verdeutlichen den politischen Anspruch des Kollektivs. Die instrumentalen, überlangen Kompositionen sind noch mächtiger und bedrohlicher als zuvor und scheinen einer Bestimmung zu folgen, die schon feststeht, noch bevor sich die Band mit schwerem Flügelschlag in die Lüfte erhebt. "Yanqui U.X.O." zeigt eine zwischen Aufopferung und Resignation gespaltene Band, die nicht mehr entscheiden konnte, ob die Wut oder die Ohnmacht die Oberhand behalten sollte. Und ich finde, dass die 2005 offiziell eingelegte Pause diesen Zwiespalt bis heute anschaulich illustriert und am Leben hält - was einiges über die Band, also ihre (Selbst)Wahrnehmung, ihr Selbstverständnis und ihre Reflexion der bestehenden Verhältnisse aussagt.

Das ist kein Egoismus, das ist ein knallharter Kampf. Und dass sie gekämpft haben für diese Platte - man hört es ihr an. 

Erschienen auf Constellation Records, 2002

21.01.2010

2000-2009 #2: Burial - Burial


Burials Debut kam meiner Idealvorstellung von elektronischer Musik geradewegs gefährlich nahe: zappenduster, obskur, futuristisch, inspirierend und trotz so manchem Querverweis im Oberstübchen und Vergleichen zu Science Fiction Filmen wie Blade Runner wunderbar klischeefrei. "Burial" glüht pechschwarz, seine fremdartigen und unheilverkündenden Beats peitschen matte Asche durch eine tote Stadt, in der das einzige Licht einer flackernden Neonröhre von einer längst verlassenen Bar stammt. Jeder Schritt auf dieser Asche knarzt und hallt sekundenlang nach. Luft anhalten, immer wieder umdrehen, immer auf der Hut. Das ist in der Stringenz riesig und versüßte so manchen Spaziergang im Augustregen des Jahres 2006. Schade, dass Burial in der Folge etwas den Fokus verlor und für den Nachfolger "Untrue" mit noch mehr Vocal- und Soul-Elementen experimentierte. Damit wurde er zwar massentauglicher, die ängstliche Aufregung seines Debuts wich dagegen leider einer konstruiert wirkenden, melancholischen Mainstreamsoße, in der sich bald jeder Piefke wiederfinden konnte, der in der Großraumdisse keine "Ficke" (J.Riewa) mehr abbekommen hat. Du weißt, dass es vorbei ist, wenn selbst die Arschgeigen der Qualitätsblätter FHM oder Men's Health über Deine Musik losrülpsen ("Toller Soultechno vom großen Unbekannten. Perfekt für das Runterkommen nach der durchtanzten Nacht." - 5 von 5 Sternen von Europas härtester Musikredaktion).


"Aber Flo, sowas kannst Du doch nicht schreiben, das macht doch die Musik nicht schlechter...!" - Okay, lass mich das detailliert und ausgiebig überdenk...huch, fertig: DOCH!

Get over it.

Erschienen auf Hyperdub, 2006.

17.01.2010

2000-2009 #1: Bohren Und Der Club Of Gore - Black Earth

Als ich im Winter 1999 mit meiner heutigen Ehefrau zusammenkam und eine Wochenendbeziehung das Maß aller, weil eben auch das Einzige aller Dinge war, verbrachten wir die meisten Wochenenden innerhalb ihrer vier Nürnberger Wände und, sagen wir es ruhig offen: im Bett herumlungernd, wenn nicht -gammelnd. Es gab Zeiten, in welchen von Freitag- bis Sonntagabend "Within The Realms Of A Dying Sun" von Dead Can Dance lief. Durchgehend, am laufenden Band. Ich glaube, wir ließen es sogar dann laufen, wenn wir draußen das Nachtleben erkundeten und drückten auch dann nicht die Stopptaste, wenn wir tatsächlich schlafen wollten. Es war kalt, der Schnee fiel und durch das große Schlafzimmerfenster konnten wir in den Hinterhof blicken, der sich langsam in eine Winterlandschaft verwandelte. Dead Can Dance war unser Soundtrack für diese Stunden. Drei Jahre und drei Wohnungen später residierten wir gemeinsam in Hessen-Hitler-City, der Autor war gesundheitlich schwer angeschlagen und hatte viele gute Gründe, viel und gut im, richtig: Bett, zu liegen. Diesmal lieferten Bohren und der Club Of Gore den Soundtrack für eine ungleich schwierigere, bedrückendere Zeit und spendeten doch Hoffnung und Trost: ihr Doom-Jazz schleppte sich ebenfalls stundenlang wie ein schwarzer Schleier durch die Wohnung, beruhigte aber eher, als dass er aufwühlte. Die extreme Langsamkeit ihrer Musik manipulierte meine Wahrnehmung von Zeit, und ich glaube, dass dies genau der Schlüssel war, dem ich das passende Schloss entgegensetzte. Eine wichtige und einschneidende Zeit, weshalb "Black Earth" den Vorzug vor dem ebenfalls völlig beeindruckenden Nachfolger "Geisterfaust" aus dem Jahr 2005 erhält. 

Erschienen auf Wonder, 2002.

16.01.2010

Unter Tage

Puh, lange nicht mehr gesehen. Wie geht's? Alles gut? 

Ein frohes neues Jahr, natürlich noch. Nachträglich. Hörte zwar kürzlich, man dürfe das nach dem, äh, sechsten Januar nicht mehr wünschen, aber gut...geschenkt. 

Wie der ein oder andere ja vielleicht schon weiß, startete ich vor drei Monaten gemeinsam mit meinem neuen Job in eine hellrosaleuchtende Zukunft, die mich abseits des Büros jedoch und von Zeit zu Zeit ziemlich mürbe macht. Das also ist der Grund für eine ungewöhnlich lange Funkstille, und während Euch jeder bloggende Piepmatz zum Jahresende mit Jahres- und Dekadenlisten verwöhnte, stand hier: nix. Da haben wir alle nochmal Glück gehabt. "Verstehen Sie bloß, diese Verantwortung!" (V.Pispers), jedenfalls: wenn's jeder macht, isses langweilig.   

Jaja, diese Dekadenlisten. Kann man ja schon machen. Mit so ein bisschen Verspätung aber erst. Ist eigentlich wie früher als Teenager, als ich stylishe Accessoires wie rote Jeans oder komplett schwarze Turnschuhe erst dann kaufte, als sie schon locker zwei Jahre völlig out waren. Nicht aus einer Anti-Haltung heraus (und selbst wenn, du glaubst doch wohl nicht, dass ich das hier zugeben würde?!), mir gefielen rote Jeans 1991 eben einfach noch nicht. Genauso wie mir King's X 1991 noch nicht gefielen. Oder Käse in Scheiben - unerträglich, widerlich! "Man wächst ja auch rein."(Mutti). Bin gespannt was passiert, wenn die ganzen lobotomierten Neandertaler, die letztes Jahr Ed Hardy-Shirts trugen in diesem Jahr aus ihnen wieder rauswachsen. Wobei, ich sollte wohl still sein, nach meiner eben aufgestellten Regel trage ich die Fetzen in knapp 2 Jahren selber. Und dann habe ich auch noch einen Ed Hardy-Schaltknüppel im mit Ed Hardy-Schriftzug verzierten Gefährt und den Ed Hardy-Taucheranzug für die romantischen Stunden zu zweit. "Wie man an solche Hirnschäden kommt ist mir nicht bekannt."(wieder Pispers), und ich will nun ganz ehrlich zu euch sein: ich habe schon im April 2009 mit der Auswahl für die DEKADENLISTE begonnen, Einsendeschluss 33.21.2014, Stichwort "Hirnschaden". Wer weggucken will, meinen Glückwunsch, so stark ist nicht jeder, wer den Gaffer geben will, der sollte trotzdem dran denken: immer zügig vorbei fahren, die Rettungskräfte nicht bei ihrer Arbeit behindern und immer mit offener Hose direkt in den Fuchsbau brettern. Tollwutimpfung nicht vergessen. 

Wo das gesagt ist: wisst ihr eigentlich, wie scheiße Tollwut ist? Tollwut ist RICHTIG SCHEISSE! 

So, dann. Ne?! Gebiss festhalten und Fahrerflucht einplanen! Die besten Alben der Viss, quatsch, WC-Ente, nee, der 00er Jahre. Ja. Jetzt. Törö!

20.11.2009

The Wonderful Thrash Metal-Gewinnspiel

Machen wir den Thrash-Laden mit einem schönen Gewinnspiel dicht. Es ist ganz einfach - aber auch sackschwer: hier unten sind sieben Artwork-Ausschnitte von Thrash-Alben aufgelistet. Ihr nennt mir einfach den jeweils dazu passenden Bandnamen und den Plattentitel und gewinnt mit ein wenig Glück anschließend eine tolle Thrash-Überraschung. 

Die richtige Antwort geht entweder in die Kommentarfunktion oder an dreikommaviernull[at]yahoo[dot]de

Einsendeschluss ist der 1.12.2009

Tätätätääää!

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08.11.2009

Verstaubt und Liegengelassen - Die Nachlese



Es ist immer dasselbe: man blickt zurück, schaut sich die endgültige Auswahl nochmal an und ist umgehend am Hadern. Wäre es nicht besser gewesen, vielleicht doch diese eine Wrath-Scheibe zu erwähnen? Was ist mit der ersten Indestroy, was mit den megaobskuren Haunted Garage, was mit dem Debut der räudigen Kanadier von D.B.C.? Oftmals sind eben nur Nuancen zwischen Platz 10 und Platz 11 zu erkennen, die den Ausschlag für die Top Ten-Platzierung geben. Ich hoffe dennoch, die letztendlich richtigen Entscheidungen getroffen zu haben. Vielleicht hat der ein oder andere meiner Leser ja einen unentdeckten Schatz bergen können. 

Ein weiterer Stolperstein waren Platten bekannterer Combos, die aber in der Bewertung der Bands keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielten, die streng genommen eben auch "Verstaubt & Liegengelassen" sind. Bestes Beispiel: das Debut der Bay Area-Legende Vio-Lence. Vio-Lence sind in erster Linie wegen ihres Gitarristen Robb Flynn bekannt, der später Machine Head gründete, an zweiter Stelle steht das Major-Debut "Oppressing The Masses", das 1990 einige Aufmerksamkeit erhielt. Nur wenige kennen jedoch "Eternal Nightmare", das erste Album der Band aus den Jahr 1988, das zweifellos zu den zehn besten Thrashplatten aller Zeit zählt, ein regelrechter Orkan von einem Album. Wäre das hier nicht ein angemessener Platz gewesen, um darauf hin zu weisen? Ich entschied mich am Ende dagegen, aber vielleicht ergibt sich in der Zukunft nochmal die Gelegenheit, dieses Album zu besprechen.

Falls sich darüber hinaus jemand über die Fokussierung auf die Jahre 1990-1992 gewundert haben sollte: die Skepsis ist auf den ersten Blick durchaus legitim. Besonders vor dem Hintergrund, dass Anfang der Neunziger der Stern des Thrash Metal langsam aber sicher zu sinken begann - nicht zuletzt durch die Machtübernahme des Death Metal. Und wenn man schon von Old-School-Thrash spricht, dann sollte man meinen, man redet in erster Linie von den frühen Anfängen 1983-1985, wenigstens jedoch von der als Blütezeit des Genres bewerteten Phase in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre. In meiner Wahrnehmung beginnt die Blütezeit später, eben etwa um 1990 herum. Für die nächsten zwei bis drei Jahre sollten hier auch von den bekannten Acts die für mich besten Alben des Thrash Metal erscheinen. Allen voran das Abschiedsalbum von Dark Angel "Time Does Not Heal", Slayers "Seasons In The Abyss", Forbiddens "Twisted Into Form", der Cyclone Temple-Klassiker "I Hate Therefore I Am", die beiden Demolition Hammer-Meisterwerke "Tortured Existence" und "Epidemic Of Violence", der Höhepunkt in der Karriere von Sepultura ("Arise"), oder auch Nachzügler wie die Underground-Sensation Invocator, die 1993 mit "Weave The Apocalypse" tatsächlich noch zu vorgerückter Stunde einen Meilenstein 'raushauten. Der musikalische Unterschied zu den rauhen Anfangstagen liegt bei all diesen Scheiben auf der Hand und es ist letztlich eine reine Geschmacksfrage, welche Phase besser schmeckt. Die Spätphase des Genres beeindruckt einerseits durch technische Raffinessen, transparentere Produktionen, komplexeres Songwriting und mit einem durch gedrosseltes Tempo nach oben geschraubten Härte- und Intensitätslevel. Andererseits ergaben sich durch die Schnittpunkte zum aufkeimenden Death Metal interessante Vermischungen, wie sie auf den beiden erwähnten Demolition Hammer-Scheiben zu hören sind. Hier entfällt dann allerdings das "gedrosselte Tempo", dainsbesondere "Epidemic Of Violence" ob seines wahnsinnigen Geschwindigkeitsrausches nur noch verbrannte Erde hinterlässt. 

An dieser Stelle sei abschließend noch bemerkt, dass ich für Tipps in dieser Richtung sehr empfänglich bin. Wer also noch weitere vergessene Perlen in seinem CD-Schrank hortet und sie mit mir und der Welt teilen will: immer her damit!

"Schönen Sonntag!"(Peter Weihnacht)

P.S.: Stay Tuned for the wonderful Thrash Metal-Gewinnspiel!

07.11.2009

Entropy - Ashen Existence (1992)


Zugegeben, "Ashen Existence" war der größte Wackelkandidat für diese Top Ten-Aufstellung. Dabei machten Entropy aus Ontario, Kanada ziemlich viel - wenn nicht gar alles - richtig. Die Produktion ist womöglich einer der besten Thrash-Produktionen aller Zeiten, kristallklar und ultraheavy, die Riffs gleichen nicht selten einem wahren Orkan, die Songs sind vertrackt und doch nachvollziehbar, und ich habe mich mittlerweile selbst an den Gesang gewöhnt. Der wechselt nämlich wie aus dem Nichts von tiefen Death-Grunts, die ein bisschen an Chuck Billys "Demonic"-Performance erinnern, zu einem hohen, leicht heiseren Thrashgesang, der wie ein aggressiver David R. White der Bay Area-Legende Heathen klingt. Und wieder zurück. Und wieder hin. Und zurück. Das verwirrt mich. Was mich zusätzlich verwirrt: "Ashen Existence" erschien 1992 und ist mal sowas von Un-Old-School, dass ich zunächst skeptisch war. Das Quartett klingt unterkühlt und trotz der furiosen Ausrichtung ihrer Songs, die niemals auch nur im Ansatz schlapp werden, leicht steril. Ich habe das Gefühl, dass Entropy mit ihrem Sound gar ein paar Jahre zu früh dran waren (welch Abwechslung in einer Reihe von zu spät gekommenen...). "Ashen Existence" klingt eher nach einem Metal, der in der zweiten Hälfte der Neunziger gute Chancen auf den Durchbruch gehabt hätte. Mir geistern die ganze Zeit Fear Factory durch den Kopf, was ein Zeichen für die klangliche Verbindung zum Spätneunzigersound darstellen könnte. Dass "Ashen Existence" trotzdem in dieser Liste auftaucht liegt schlussendlich einfach daran, dass das Album schlicht viel zu eindrucksvoll ist, als dass ich darum herumkomme, es nicht zu erwähnen. Warum die Band an sechster Stelle einen reinen Death Metal-Track auf das Album gepackt hat, der klingt, als sei er direkt von einer angeschimmelten, 20 Jahre alten Demokassette gezogen worden, bleibt ihr Geheimnis. Aber den Schund kann man ja leicht wegskippen. 

"Ashen Existence" von Entropy ist 1992 auf Inazone Records erschienen.

03.11.2009

Denial - Antichrist President (1991)


Und noch eine Band, die Opfer ihrer eigenen Verspätung wurde. Denial tauchten Ende 1990 in der Szene auf und veröffentlichten 1991 auf Colossal Records ihr einziges Album "Antichrist President". Was für eine Verschwendung an Talent: eine taufrisch agierende Band, eine rohe, drückende Produktion, komplexe, qualitativ weit über dem Durchschnitt liegende Thrasher in Verbindung mit einem damals nicht gerade untypischen Comic-Cover sowie regierungskritischen, rebellischen Texten, die unter dem Eindruck des Einmarschs der Bush-Administration in den Irak entstanden sein müssen, hätten ein paar Jahre früher ausgereicht, um Denial einen gar nicht so üblen Platz in der Thrash-Geschichte zu überlassen. Heute weiß man: es kam alles ganz anders. Wer ein bisschen über den Tellerrand des Thrash-Mainstreams schauen möchte und auf die etwas ausufernden Songstrukturen des Frühneunziger-Thrash abfährt, es aber dennoch gerne rauh und wild mag, kann ruhigen Gewissens mit "Antichrist President" beginnen. 

"Antichrist President" von Denial ist 1991 auf Colossal Records erschienen.

24.10.2009

Savage Thrust - Eat 'em Raw (1990)


Auch wenn der Bandname Savage Thrust wenigstens im Untergrund etwas geläufiger sein dürfte als so manch andere Kapelle, handelt es sich immer noch um eine reichlich obskure Band. Das liegt weniger an der geringen Verbreitung von "Eat 'Em Raw", sondern an der tatsächlichen Musik, bei der ich mich nie ganz entscheiden kann, ob es sich dabei lediglich um größtenteils recht generischen Speed/Thrash Metal handelt, oder ob das ziemlich abgefahrenes Zeug ist. Einerseits erinnern die New Yorker vor allem dank der extrem hohen Stimme von Michael Smith an die frühen Agent Steel-Werke, sie gehen aber weitaus weniger straight als die kalifornische Speed Metal-Sensation vor und haben durch die krude Zusammensetzung ihrer Riffs und die verschrobenen Songstrukturen einen Vorsprung in Sachen Originalität. Savage Thrust bewegen sich zweifellos im Speed/Thrash-Umfeld, aber mir fällt partout keine andere Band ein, die so klingt wie sie: nichts scheint zu passen, die Songs wirken nicht stimmig, bestehen eher aus vermeintlich wahllos aneinandergeklatschen Riffs und Breaks. Erst nach ein paar Durchläufen kommt man hinter das Geheimnis dieses Albums. Denn auch wenn es einen Riesenspaß macht, "Eat 'em Raw" zu hören, und die schiere Ausgelassenheit der Band fast schon physisch spürbar ist, ist die alte Metal-Losung "Headbangen und Bier trinken" hier nicht angebracht. So gerät die Auseinandersetzung mit dieser Platte zu einer kleinen Herausforderung, und das in einer Umgebung, die es mit Herausforderungen für gewöhnlich ja nicht so hat. Das finde ich spannend und deshalb steht "Eat 'em Raw" auch zurecht in dieser Liste. Not your average Speed Metal band, indeed! 

"Eat 'em Raw" von Savage Thrust ist 1990 auf Avanzada Metalica Records erschienen.

18.10.2009

Impact - Take The Pain (1991)


Das muss eine der meistgesuchtesten Thrash-Platten aller Zeiten sein. Impacts Debut erschien 1991 auf dem legendären mexikanischen Label Avanzada Metalica Records (u.a. Morbid Saint), als sich die Firma praktisch schon mit eineinhalb Beinen in der Insolvenz befand. Daher gelangten nur wenige Exemplare in den Handel. Zudem geschah dies zu einer Zeit, in der der klassische Thrash Metal schon in den letzten Atemzügen lag. Diesen Faktoren mag es geschuldet sein, dass "Take The Pain" nicht wie eine Bombe einschlug, an der Musik kann es unmöglich gelegen haben. Impact spielen einen furios nach vorne preschenden Speed/Thrash Metal, der zweifellos seinen Platz in der zweiten Reihe der Thrash-Garde gefunden hätte. Der Opener "In The Flesh" hat gar das Zeug zum Genreklassiker: für diese Riffs würden andere Bands töten. Großen Anteil an der Qualität von "Take The Pain" hat zudem Sänger/Gitarrist Nathan Kane, der mit klarer und kraftvoller Stimme überrascht und für einige Querverweise in Richtung Agent Steel oder frühe Vicious Rumors sorgt. Angesichts des Erscheinungsjahres ist man darüber hinaus ob der sehr räumlichen, harschen Produktion durchaus überrascht. Regierten 1991 die unter dem Eindruck von Metallicas "...And Justice For All" entstandenen, komprimierten "Mitten Raus"-Sounds, die einerseits zwar fast immer sehr heavy waren, andererseits aber etwas poliert klangen, ist der Sound von "Feel The Pain" deutlich direkter, roher und wilder und damit besser als 90% aller übrigen Low-Budget-Releases. 

Wer nun Appetit auf dieses kleine Juwel bekommen hat, sollte sich Gedanken um die Auflösung des Bausparvertrags machen: für "Take The Pain" muss tief (und mit einem mittleren dreistelligen Eurobetrag meine ich wirklich tief!) in die Tasche gegriffen werden.

"Take The Pain" von Impact erschien 1991 auf Avanzada Metalica Records.

16.10.2009

Fantom Warior - Fantasy Or Reality (1987)


Eine reichlich mysteriöse Thrash Band aus der zweiten Hälfte der achtziger Jahre ist diese aus New Jersey stammende Formation. Alleine der Bandname und das furchtbare Cover von "Fantasy Or Reality" sind eigentlich ein gutgemeinter Hinweis darauf, einen weiten Bogen um diese Veröffentlichung zu machen, aber weit gefehlt: dieses 1987 erschienene Debut von Fantom Warior entpuppt sich als ganz klassischer Vertreter authentischen Thrash Metals mit großartigem Riffing und schnodderigen, leicht an Overkills Blitz erinnernden Vocals. Die New Yorker Institution ist darüber hinaus auch hinsichtlich der Songs kein schlechter Vergleich. Insbesondere der Rausschmeißer "Kill Rip Destroy" erinnert in der ausufernden Anlage an die immer leicht pathetischen "Overkill"-Feger oder auch an das erste, fantastische Hallows Eve-Album "Tales Of Terror". Vereinzelt lassen sich ergänzend dazu ein paar punkige Fetzen im Sound erkennen, die einen an frühe Nuclear Assault oder auch frühe Anthrax denken lassen ("Don't Criticize") und dem sympatischen Spirit dieser Scheibe natürlich bestens in die Karten spielen. Flüssiger, zügig auf den Punkt gespielter Thrash Metal, hörbar von der Ostküste der USA, der ohne ziellose Riffkaskaden auskommt und hier und da gar an klassischen US-Metal erinnert. 

Leider ist der Sound von "Fantasy Or Reality" recht bescheiden, echte Genre-Fans werden jedoch angesichts von Killertracks wie "Final Call" oder "E.R.C." gerne darüber hinwegsehen.

15.10.2009

Sacrament . Haunts Of Violence (1992)


Da war ich jahrelang der Auffassung, dass die Reihenfolge der zehn besten Thrash-Platten aller Zeiten eigentlich seit spätestens 1995 tief in mein angestaubtes Metal-Fundament einzementiert ist und plötzlich trifft mich dieses Album mit der sprichwörtlichen Wucht einer Abrissbirne und ich weiß: da muss ich nochmal nachdenken. "Haunts Of Violence" von den Christenthrashern Sacrament erhielt von classicthrash.com - das Paradies für jeden (Underground) Thrash-Fan - die Auszeichnung "the best thrash metal release that most people never heard of" und könnte tatsächlich die Nachfolgescheibe zu Forbiddens "Twisted Into Form" sein, wenn man deren Hitpotential mal ausblendet. Für einen Hit ist "Haunts Of Violence" viel zu vertrackt, viel zu technisch. Ein wahnsinniges Riffmassaker reiht sich an das nächste, die schwindelerregenden Breaks sind für selbst für geübte Ohren harter Tobak und nur dann nachvollziehbar, wenn man sich wirklich voll auf dieses Thrashfest einlassen mag. Dazu passt die knochentrockene, brettharte Produktion, die ihren Teil dazu beiträgt, dass Sacrament das Intensitätslevel über die gesamte Spielzeit am oberen Limit halten können. Das ist zweifellos anstrengend, aber es ist auch unfassbar geil.

"Haunts Of Violence" von Sacrament ist 1992 auf R.E.X. Records erschienen.