DEPECHE MODE - SONGS OF FAITH AND DEVOTION
"Unter der Herrschaft des Kapitals ist alles Ware und muss für Geld zu haben sein: Autos, Bananen, Waffen, Exportlizenzen, Parteien, Abgeordnete, Minister, Präsidenten, Professoren, Zeitungen, Enthüllungen, Stasiakten, Stasiaktenverwalter, Bänkelsänger, Meinungen, Männer, Frauen. Was so anklägerisch klingt...ist durchaus ein zivilisatorischer Fortschritt: Geld regelt, was in einer Gesellschaft der Ungleichen sonst mit Gewalt geregelt werden müsste."
(Hermann L. Gremliza)
Vorbemerkung: Die Herzallerliebste erkennt jeden Song von Depeche Mode bis einschließlich jene vom Album "Ultra" nach etwa drei zehntel Sekunden. Ich finde das zu gleich Teilen schockierend und schockierend. Und weil es somit einfach keine bessere Person gibt, das Review zu "Songs Of Faith And Devotion" zu schreiben, habe ich die Herzallerliebste darum gebeten, eben das Review zu "Songs Of Faith And Devotion" zu schreiben. Erfreulich: sie hat zugestimmt. Sie lesen nun also einen Gastbeitrag von Super-Schnibi. Enjoy!
Rückblick auf Mitte 1983 - mein frisch mit blauer Wolkentapete verkleistertes Zimmer - vor meinem Kassettenradio - aufgeregt wartend, dass die angekündigte neue Single "Everything Counts" gespielt wird, damit ich auf den "Record"- und "Play"-Knopf gleichzeitig drücken kann. Natürlich labert der Radiomoderator am Schluss rein. Aber ich habe es auf Kassette und kann morgen in der Schule damit angeben. Und jetzt auch noch mal.
Als Flow mich gestern fragte, was denn wohl mein Lieblingsalbum von Depeche Mode wäre, wusste ich intuitiv, dass es "Songs Of Faith And Devotion" ist. Aber ich musste sichergehen, und so haben wir gemeinsam alle Alben im Schnelldurchlauf Revue passieren lassen. "Songs Of Faith And Devotion" hat Tiefe, die auf früheren Alben nicht so weit im Vordergrund stand. Musikalische Tiefe durch die für Depeche Mode damals "REVOLUTIONÄRE!!!" Öffnung für analoge Instrumente und das menschliche Element der Imperfektion. Martin Lee Gore sorgte für lyrische Intensität mit Wanderungen durch die schattigen Höhlen seines Daseins. Dave Gahan sang diese Texte dann mittels einer mit Heroin getäfelten Stimmritze ein. Nicht zuletzt sind Alan Wilders Soundstrukturen voll abgestimmt auf den selbstzerstörerischen Vibe. Mehr Bass, mehr Verzerrung, mehr Rock, mehr Roll.
Das Album und der Zustand der Band und ihrer Mitglieder passen in die Zeit Anfang 1990, geprägt von Drogen und Verzweiflung, hoffnungslos der eigenen Unzulänglichkeit ausgeliefert. Alles selbstsezierend, dunkel und kaputt. Das Lebensgefühl also recht ähnlich wie heute.
Anders als zur damals zeitgenössischen Weltuntergangsmusik kann man zu dieser Depression jedoch gut tanzen. Das Phänomen der deutschlandweiten Depeche Mode-Partys liegt wahrscheinlich genau darin begründet. Mild abwegige/abartige Texte mit tanzbaren Beats unterlegt. Durch die Jahrzehnte der wilden Kindheit/Adoleszenz und Erwachsung waltzend. Angereichert mit genretypischen Stücken aus den dunkelbunten 80ern.
"Um die früheren Werke zu mögen, muss man dabei gewesen sein." (Herr Dreikommaviernull).
Ab "Black Celebration" kann man auch ohne viel Cringe mittanzen. Ich freue mich schon auf die nächste Depeche Mode-Party. Für mich ganz ohne Cringe.
Vinyl und so: Mittlerweile sind die klassischen Alben von Depeche Mode fast permanent und in mehreren Versionen von gleich mehreren Herstellern/Labels auf Vinyl verfügbar - und oft auch noch zu überraschend anständigen finanziellen Konditionen. Mein Exemplar aus der 2016 erschienenen "Legacy"-Reihe hat ein sehr schön anzuschauendes (aber furchtbar zu fotografierendes, ähem!) Glossy-Gatefold-Cover mit Liner Notes und Texten auf schwarzem Vinyl und klingt großartig. Obacht vor der Flut von Bootlegpressungen - es gibt wahrlich genügend offizielle und gut klingende Versionen, sodass die Bootlegs eigentlich völlig überflüssig sein sollten.
Erschienen auf Mute, 1993.
