BAD RELIGION - THE DISSENT OF MAN
Es gibt im Großen und Ganzen selten wirkliche Überraschungen, wenn es um Platzierungen im Sinne einer Reihenfolge für Alben von Bad Religion geht. "The Dissent Of Man" findet sich beispielsweise bei den allermeisten Fans stets im unteren Drittel der Diskografie wieder, und ich sehe nicht, was ich mit meiner Auswahl daran ändern könnte - dafür lassen alleine die Klassiker aus den 1980er und 1990er Jahren so oder so nur wenig Spielraum. Aber auch ohne den ausschweifenden Blick über das verdorrte Tal der Nostalgie hat das Album einen schweren Stand.
Im Veröffentlichungsjahr 2010 war "The Dissent Of Man" nicht gut genug für mich. Möglicherweise hat mich die Platte damals in einer Phase erwischt, in der ich soweit von Punkrock entfernt war wie LalaLaschet von einem zweistelligen IQ, vielleicht erschien mir das alles aufs erste Hör' als zu schalala und tralala, vielleicht habe ich "Wrong Way Kids" gehört und mich wegen der unsagbar peinlichen Chöre vollgekotzt, ich weiß es nicht mehr. In den vergangenen zwölf Monaten vertiefte sich die Auseinandersetzung mit dieser Platte indes, und meine Aversion ist seither auf ein unerwartet niedriges Niveau geschrumpft. Möglicherweise bin ich andererseits mittlerweile auch einfach so angeschimmelt und weichgespült, dass mir nicht mal eine Deppenrock-Frechheit wie "Cyanide" oder bräsiger Mittneunziger-Collegerock wie "I Won't Say Anything" die Laune verhageln können.
Was "The Dissent Of Man" im Jahr 2021 vermutlich in erster Linie für mich rettet, ist eine gefühlte Qualitätsglättung: die Tiefen sind nicht ganz so tief wie es beispielsweise bei "Age Of Unreason" der Fall ist, die Höhen schnuppern dafür ein bisschen dringlicher am eigenen Klassikerkanon - "Avalon" und "Only Rain" reihen sich wie selbstverständlich in die lange Liste herausragender Songs dieser Band ein - und "die Midde" (Birne) ist eben genau da: in der Mitte, über weite Strecken vereint mit dem Großteil ihres Oevres nach 2001.
Geht schlechter. Besser aber leider auch.
Erschienen auf Epitaph, 2010.