14.06.2015

"Ist das ein ausländisches Shirt, Howard?"




MOTÖRHEAD - BASTARDS



"Bastards" ist ein auf mehreren Ebenen interessantes Motörhead-Album - ein musikalisch überdurchschnittliches noch dazu. Das kommt, zur besseren Einordnung, immerhin von einem Typen, der nicht gerade als der allergrößte Motörhead-Fan gilt und darüberhinaus die Vergötterung eines alten, kranken Mannes inklusive der Heroisierung seines Verfalls nicht so richtig verstehen mag. Und der nicht mal im Ansatz schnallt, was zur Jahrtausendwende passiert sein muss, um die Band aus dem kommerziellen Koma zu holen, in dem sie bis zum 2000er Album "We Are Motörhead" vor sich hin dämmerte. Ganz besonders zwischen 1993 und 1999 krähte fast kein Hahn nach neuer Musik des Trios, und plötzlich schoss man mit dem sechzehnten Studioalbum geradewegs durch die Decke. Ein Erfolg, der übrigens bis heute anhält.

"Bastards" erschien nach dem bitteren und von dem damaligen Label EPIC mutwillig herbeigeführten Flop "March Ör Die" auf ZYX Records, einem zu jener Zeit auf Dance und Techno spezialisierten Label aus dem hessischen Merenberg. Die Umstände dieses Deals sind in Lemmys Autobiografie zum Heulen schön beschrieben; wie es möglicherweise zu erwarten war, endete die Zusammenarbeit jedoch in einer Katastrophe. Zwar wuchteten ZYX eine satte halbe Million Dollar für die Aufnahme über den großen Teich, dafür verstanden die Labelmanager weder etwas vom amerikanischen Markt noch vom Vermarkten einer Motörhead-Platte. "Bastards" war außerhalb Deutschlands praktisch nicht erhältlich, erst später wurde das Album zusätzlich für den japanischen Markt lizenziert.

""Bastards" war eines der absolut besten Alben, die wir je machten, und es verschwand einfach im Nirgendwo." (Lemmy)

Aus musikalischer Sicht ging dem ein oder anderen wirklich etwas durch die Lappen, denn auch wenn "1916" mein Favorit der Quartettbesetzung ist und bleibt, läuft "Bastards" ziemlich knapp dahinter ins Ziel. Das Album überrascht vor allem mit den untypischen und melodischen Songs wie "Devils" "We Bring The Shake" oder "Lost In The Ozone", und natürlich mit der Ballade über Kindesmissbrauch "Don't Let Daddy Kiss Me", die Lemmy im Vorfeld schon Lita Ford und Joan Jett anbot, deren Managements aber kalte Füße bekamen. Auch die Stangenware enttäuscht nicht: der typische Motörhead Opener "On Your Feet, On Your Knees", das Doublebassungetüm "Burner" und der unvermeidliche Hit "Burn To Raise Hell" wirken etwas frischer und zwingender als üblich. Einen nicht zu kleinen Anteil daran dürfte auch die knackige Produktion Howard Bensons haben, der in den kommenden Jahren noch öfter mit der Band zusammenarbeiten sollte. Ein weiterer Aspekt, den man nicht zwangsläufig unter den Tisch fallen lassen muss: "Bastards" war das erste Album, bei dem der neue Drummer Mickey Dee am Songwriting beteiligt war. Dee spielte zwar schon den Großteil des Vorgängers ein, stieß aber erst zur Band, als die Songs bereits geschrieben waren.

"Bastards" ist qualitativ über weite Strecken bedeutend besser als die Alben, die davor erschienen - und besser als vieles, was danach kam sowieso.

Erschienen auf ZYX Records, 1993.

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