16.08.2014

Sending Transmission - The Tea Party (9) - Live From Australia



THE TEA PARTY - LIVE FROM AUSTRALIA


"So good? So good? SO GOOD?" (Jeff Martin)

Australien ist neben der nordamerikanischen Heimat Kanada das gelobte Land für unsere drei Helden. Schon früh in ihrer Karriere waren es besonders die Freaks vom anderen Ende des Planeten, die Martins Ethno-Bluesrock ganz besonders goutierten. Und vermutlich weil's dazu auch noch so schön exotisch klingt, dass man sein Comebackalbum live in Australien während der Reuniontour im Jahr 2011 aufnimmt, macht man genau das: zehntausende Fans aus Melbourne, Brisbane, Sydney, Adelaide und Perth wurden hier genauso verewigt wie die großen und kleinen Hits des Trios. Von "The River" und "Save Me" über "Psychopomp" und "Release" zu den Erfolgsingles "The Messenger" und "Heaven Coming Down". Auffällig: von "Seven Circles" fanden "Writing's On The Wall" und "Overload" lediglich den Weg auf die Downloadausgabe des Albums - und letzterer sogar nur als Soundcheckversion; wer auf "The Interzone Mantras" steht wird mit "Lullaby" abgespeist, das zugegebenermaßen alleine durch den veränderten Sound den Vergleich mit der Studioaufnahme haushoch gewinnt. Darüber hinaus liegt der Schwerpunkt eindeutig auf den vier großen Werken "Splendor Solis", "The Edges Of Twilight", "Transmission" und "Triptych".

Was in den knapp sechs Jahren passierte, in denen das Trio getrennt war, lässt sich recht digital abbilden: Bassist Stuart Chatwood komponierte erfolgreich Soundtracks für Videospiele (u.a. Prince Of Persia, NHL 2002), Drummer Jeff Burrows gründete im Jahr 2008 die kanadische All-Star Band Crash Karma (außer Burrows mit dabei: der erste (und fantastische) Sänger der Alternasensation I Mother Earth Edwin, Mike Turner von Our Lady Peace und Amir Epstein von Zygote) spielte in größeren und kleinen Bandprojekten, unter anderem mit Rushs Geddy Lee und Alex Lifeson in Big Dirty Band und produzierte außerdem das Album der libanesischen Rocker von The Kordz, mit denen der Autor dieser Zeilen sogar mal die Bühne des Frankfurter Sinkkastens teilte. Jeff Martin machte zunächst solo weiter, veröffentlichte das ziemlich schlimme "Exile And The Kingdom"-Album und eine Liveplatte und -DVD, bevor er 2008 die Band The Armada gründete. 2010 wurde ebenjene von einem weiteren Projekt abgelöst, dieses Mal unter dem Namen Jeff Martin 777. Martin ließ sich zuerst in Irland, später in Australien nieder, wo er in Byron Bay mittlerweile auch ein Studio betreibt.

Rein musikalisch lässt sich über "Live From Australia" nur wenig Schlechtes sagen. Der Sound ist gut, die Songauswahl ist angemessen, man spielt solide und selbst Martin klingt trotz deutlich tieferem Timbre und 42 Jahren überraschend frisch. Die auf Youtube hochgeladenen Handyaufnahmen aus dem Publikum beweisen auch, dass er tatsächlich sehr gut sang und die allzu groben Studiotools im Köfferchen lassen konnte. Diskussionswürdig indes: die Geschwindigkeiten der Songs wurde beispielsweise spürbar gedrosselt, was über die eigene Eingewöhnungsphase hinaus auch objektiv nicht allen Kompositionen gut bekommt und ihnen ordentlich den Drive wegnimmt. Die Ein- und Ausblendungen zwischen den einzelnen Track sind strunzalbern und kratzen unschöne Wunden in die Liveatmosphäre, und die Ansagen und in die Songs geworfenen Anfeuerkapriolen Martins lassen mich reflexartig an gänzlich unerotische Knebelspiele denken. Den Quatsch hätte man doch wenigstens für die Aufnahme ausblenden dürfen.

Wie man es mittlereile von der Band gewohnt ist, ist nicht alles vegane Magarine, was sich streichzart aufs Brot schmieren lässt. Der Eindruck, das sich die Truppe in erster Linie wieder zusammengerauft hat, weil die Kohle bei dem ein oder anderen knapp wurde, steht im Raum wie die Geruchssäule der Flatulenzen meines Hundes nach dem Genuss von drei Erdnussflips. Die Herren sind mittlerweile so gesetzt und satt, dass man es leider nahezu jedem Ton anhört. Die erste Single aus dem neuen Album ist eine furchtbare Larifarigrütze und die wilde, meterhohe Welle von drei jungen Typen, die die Welt vor sich haben, die mit Lust am Leben ihre Grenzen ausloten, die sich kreativ austoben, ist in einer stickigen und verstockten Muckermentalität mehr oder weniger feierlich träge ausgerollt. Chris Hannah von Propagandhi antwortete in einem Interview auf die Frage, welchen Tipp er jungen Bands mitgeben könne, dass der einzige Rat, den er ehrlicherweise geben kann jener ist, Spaß an dem zu haben, was man tut. Wenn man keinen Spaß daran habe oder sich verbiegt, werden das die Menschen mitbekommen. Und sie werden es nicht mögen. Damit ist zwar aus meiner Sicht 99% des gesamten Popbusiness aber mal sowas von am Arsch, aber davon abgesehen: ob Martin, Chatwood und Burrows wirklich noch Spaß haben? Ich bin mir da gar nicht so sicher. Und ich verwette eine Flasche Essigessenz, dass das im Herbst erscheinende "The Ocean At The End" für ziemlich lange Zeit das letzte Studioalbum der Tea Party sein wird. Es hat halt schon ein Geschmäckle.


Erschienen auf EMI, 2012.

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