24.12.2011

Zweitausendelf in Musik



Achtung, Allgemeinplatz: Wahnsinn, wie die Zeit rennt. Ich kann mittlerweile die Warnung älterer Menschen, dass sich nämlich die Wahrnehmung von Zeit im fortschreitenden Alter noch beschleunigt, wenig überraschend bestätigen.

Jetzt sind wir also am Ende von 2011 angekommen und wenngleich es im beinahe abgelaufenen Jahr hier und da auch gesellschaftliches, politisches und frechdumm-polemisches auf diesem Blog zu lesen und hören gab, liegt der Schwerpunkt freilich immer noch auf der Musik. Ich will an dieser Stelle auch nur ungern über die aktuelle Nichtentwicklung in Schloss Bellevue oder Vergleichbares schreiben - ein bisschen Relevanz beanspruche ja selbst ich für 3,40qm. Außerdem ist praktisch Weihnachten und es ist spät und der White Russian schmeckt und ich habe jetzt keine Lust, sauer zu werden. Das endet sowieso alles nur wieder in akuter Schlaflosigkeit.

Wie war das also mit der Musik in 2011? Ich sagte es kürzlich zu einem Freund: ich führe ja immer noch sowas altmodisches wie eine Excelliste, um meine gehorteten Platten aufzulisten (und um mich im Zweifelsfall an die ein oder andere Perle wieder zu erinnern, die im Alltagsdunst zwischen Bürostuhl, Parfumsammlung und Katzenklo aus meinem Schädel geplumpst ist), und ich war wie von den Socken, als ich einen Blick in die Spalte mit den Genres warf. Unter den knapp 60 gekauften Platten, die in 2011 erschienen sind, fanden sich gerade mal vier, die sich im weiteren Sinne im Rock- oder Indie-Kanon einsortieren ließen. Mir ist dieses, nennen wir es mal: Ungleichgewicht im Laufe des Jahres gar nicht aufgefallen, jedenfalls nicht im größeren Rahmen. Aber es ist ein deutlicher Unterschied zu den vorangegangenen Jahren.

Ich weiß noch nicht, was mit dieser Entwicklung anzufangen ist, und vermutlich lautet die Antwort schlicht "Gar nix!", aber ich merke durchaus, dass es schwerer wird, die Neugier zu zügeln und dass es gleichzeitig leichter fällt, Altes hinter sich zu lassen. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: ich brauche nicht jeden Tag die brutalstmögliche Innovation, aber ich brauche genausowenig eine Rockband, die 30 Jahre alte Rockriffs spielt und die anhängenden Klischees bemüht. Und das schreibt einer, der vor gar nicht allzu langer Zeit der 30 oder 300 Jahre alten Rockband Great White einen Altar gebastelt hat. - "Seht nur, diese Stilbrüche!" - Vielleicht räuspert sich so auch nur um meine Angst, nicht zu einem verdammten Althippie zu "amorpheln" (G.Polt), der sich den Spruch "So geil wie früher wird's nie wieder." auf das Stirnband gestickt hat - der allerdings auch 1978 aufgehört hat, neue Musik zu suchen und zu hören. Oder überhaupt zu hören.

Am Ende ist's ja doch alles Kappes.

Beziehungsweise eben nicht: auch im Jahr 2011 gab es beeindruckende Musik von beeindruckenden Menschen zu entdecken und zu hören. Folglich stehen die nächsten Wochen in deren Zeichen: lasst uns sie feiern. Denn was würden wir bloß ohne sie machen?


Und, ganz wichtig, bevor es losgeht: ich wünsche Euch allen friedliche und besinnliche Weihnachtstage. Genießt ein wenig Ruhe, 2012 wird sich wieder bescheuert genug.

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