28.07.2009

Die Ruhe Vor Dem Sturm


Bobby McFerrin - The Voice

Den meisten Menschen ist Bobby McFerrin sicherlich durch seinen 1988er Welthit "Don't Worry Be Happy" bekannt und nicht zuletzt dank dieses Songs befindet er sich bei wiederum den meisten Menschen eher in der "Humor"-Schublade abgelegt. Was zunächst nicht grundsätzlich verkehrt ist; nur die abgefeimtesten Lachknochen kommen angesichts McFerrins halsbrecherischer Stimmartistik nicht wenigstens von Zeit zu Zeit ins Schmunzeln. Fatal wäre es dennoch, würde man den Musiker auf das "Ein bisschen Spaß muss sein, beste Grüße ihr Roberto Blanco"-Klischee des immerfrohen Negers (Anfeindungen und Belehrungen bitte an zivilisiertewelt@silvioberlusconi.it schicken) reduzieren. 

In den Liner-Notes zu diesem auf McFerrins erster Solotournee durch Deutschland aufgenommenen Livealbum berichtet der 1950 geborene Sänger, dass er erst im Alter von 27 Jahren auf die Idee kam, allein mit seiner Stimme eine Bühne zu betreten:"I heard a voice inside my head telling me to be singer." McFerrin stammt aus einer sehr musikalischen Familie: sein Vater war der erste afro-amerikanische Opernsänger in der Metropolitan Opera in New York, und der Sprössling richtete in jungen Jahren seinen Lieblingsplatz unter des Vaters Piano ein, wenn jener Gesangsunterricht gab. Mit sechs Jahren erhielt Bobby Klavierunterricht, außerdem lernte er Flöte und Klarinette. Mit verschiedenen Gruppen tingelte er in den siebziger Jahren als Pianist jahrelang durch die Bay Area von San Francisco. Nach dem Wechsel zum Gesang konnte er sich im Rahmen seiner Combo Astral Projections künstlerisch nicht weiterentwickeln, woraufhin er sich zum kompletten Bruch entschied und alle Instrumente aus seiner musikalischen Vision entfernte.

"The Voice" ist ein beeindruckendes Zeugnis seiner stimmlichen und gedanklichen Virtuosität. Mithilfe von Schlägen auf seine Brust und seinen Kehlkopf baute McFerrin ein rhytmisches Gerüst, auf dem er mit schier wahnwitzigen Sprüngen zwischen Bass- und Sopranpartien herumtollte. Hinzu kamen Geräusche wie das hörbare ein- und ausatmen, Schnalzen, Rascheln und Zischeln, die sich in die Stimmcollagen nicht nur eingliederten, sondern zu einem fundamentalen, klangfärbenden Bestandteil seiner Musik wurden. Ralf Dombrowski stellte in seiner Rezension zu "The Voice" noch einen weiteren Faktor in den Fokus: McFerrins umfassende musikalische Bildung. "Sie erlaubte es ihm, an der Personalstilistiken anderer Musiker an zu knüpfen, sie zu imitieren, (...), zu integrieren und zu kommentieren." So konnte er beispielsweise "Blackbird" der Beatles "arpeggiohaft auseinander" nehmen, in "I Feel Good" die typischen Schreie von James Brown persiflieren, frühe HipHop-Elemete in "I'm My Own Walkman" anreißen, und im Bebop-Medley (unter anderem mit "Donna Lee" von Charles Parker) die Charakteristik des Saxofonspiels nachahmen.

Dass McFerrin seinen Vortrag immer wieder mit wirklich lustigen Elementen würzte, was das Publikum zu spontanen Lachanfällen mit Szenenapplaus verführte, ist nur ein weiteres dickes Plus einer Platte, die ein sympatisches, positives und musikverrücktes Flair versprüht.

"The Voice" von Bobby McFerrin ist 1984 auf Elektra erschienen.

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