15.07.2008

It's In The Mix, Stupid!



Für gewöhnlich bin ich den Arbeiten von Kieran Hebden ja durchaus wohlgesonnen: seine Postrock-Spielwiese Fridge, seine vielseitigen Four Tet-Tüfteleien, die mitunter sehr respektvoll die Einflüsse des 29-jährigen Musikers in den Vordergrund rücken, oder eben sein seit einigen Jahren laufendes Projekt mit dem Jazzdrummer Steve Reid, all das konnte mich im Grunde immer überzeugen. Vor allem das Hebden/Reid-Debut "The Exchange Sessions Vol.1" hat mich seinerzeit kräftig mitgerissen. Hebden hatte schon zu schwebenden Fridge-Zeiten großen Wert auf vertrackte Rhythmuskonstruktionen gelegt, und "Everything Ecstatic", seine großartige Four Tet-Platte aus dem Jahr 2005 baute diesen Groove-Fokus gar noch weiter aus, umgarnte ihn mit seinen typischen Wuschi-Deluxe-Sounds, frisch gemopst aus der großen Rappelkiste eines Musikverrückten. Die Kollaboration mit Steve Reid, einem freien Geist des Jazz, der in den sechziger und siebziger Jahren mit Sun Ra genauso arbeitete wie mit Miles Davis, lag als nächster logischer Schritt auf der Hand.

Während die ersten beiden Ergebnisse dieser Partnerschaft "The Exchange Sessions 1+2" sich ausbreitenden, diffusen Electro-Freejazz boten, wählte man für das dritte Werk "Tongues" offensichtlich einen luftigeren Ansatz. Durchschnittlich viereinhalb Minuten benötigen die beiden Musiker, um zu demonstrieren, dass improvisierte Musik eben auch mal bedeuten kann, dass es - Pardong! - in die Hose geht. Was grundlegend völlig in Ordnung ist. Aber mein Gefühl sagt mir auch nach dem achten Durchlauf, dass Hebden und Reid sich hier leicht verhoben haben. Reids afrikanisch beeinflusstes Schlagzeugspiel rückt auffallend weit in den Hintergrund, die Schnittstellen mit Hebdens Gezischel und Gerappel wurden so unkenntlich gemacht, dass sich bei Licht betrachtet hier nur einer austobt, und das ist Kieran Hebden. Trotzdem pendelt er lediglich zwischen zwei Extremen umher: einerseits wummert er viel Potential überraschend uninspiriert in Grund und Boden, andererseits lässt er hier und da süßliche Melodien durchblitzen, die viel zu undefiniert sind, als dass sie eine Stimmung erzeugen können, die die Songs tragen kann. Und wer jetzt irritiert die Augenbrauen anhebt und sich fragt "Moment mal, Songs??", der fragt sich das mit Recht: mir erschließt sich schon der grundlegende Gedanke hinter "Tongues" nicht, vierminütige Momentaufnahmen in einen ursprünglich uferlosen Kontext zu pressen. "Tongues" wirkt dadurch unangenehm unfertig, beeindruckend trivial und zerstäubt schneller aus dem Gedächtnis als eine Bundestagsrede von Dirk "Wirsing" Niebel.

"Tongues" von Kieran Hebden und Steve Reid ist im März 2007 auf Domino Records erschienen.

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