25.07.2008
I Feel New Beats, I Hear New Sounds
Eine ganz und gar bemerkenswerte Platte, und das gleich in mehrfacher Hinsicht, ist "Home For An Island", das zweite Album der New Yorker Band The Exit, und es stimmt mich von Zeit zu Zeit etwas nachdenklich, dass ich dieses Juwel ohne mein ehemaliges Dasein als Hobby-Musikjournalist wohl niemals entdeckt hätte.
Das sind wohl die guten Seiten eines Jobs, bei dem ich mir manchmal nicht sicher bin, ob ihm überhaupt auch nur eine gute Faser einer nicht ganz so schlechten Seite innewohnt, und dabei beziehe ich mich ausdrücklich sowohl auf die Rolle des Lesers, als auch auf die des Schreibers selbst. Aber das ist wieder so ein ganz anderes Thema, darüber können wir uns gerne auf der nächsten Popkomm unterhalten, wenn die halbnackten Bitches, sorry: Hostessen, uns am Visions-Stand die Caipi-Schirmchen ins Haar flechten. Jedenfalls: meine grundlegende Skepsis gegenüber aktueller Rockmusik hat mich seit einiger Zeit so fest im Griff, dass sie mich heutzutage, ganz salopp geschrieben, eigentlich einen Scheiß interessiert. Ich suche auch nicht mehr danach. Wenn mir jedoch mehr oder weniger zufällig etwas vor die Füße rutscht, das mich totz meiner "Iiiih, Du bist immer so anti"-Haltung zunächst verwirrt und dann umso stärker mitreißt, so dass ich selbst zwei Jahre nach der Veröffentlichung dieses kleinen Wunders noch ein helles Funkeln in die Augen bekomme und in himmelhochjauchzende Lobhudeleien verfalle, die sogar mit jedem weiteren Durchlauf noch himmelhochjauchzender Lobhudeln, dann bin ich ein sehr glücklicher Mensch.
The Exit spielen auf "Home For An Island"...Rockmusik. Rockmusik, zu der mir interessanterweise jeder Vergleich fehlt, obwohl die Assoziationen zu der Musik des Trios nur so aus den Poren sprühen. Rockmusik, die sich zwischen The Police, The Clash und den Wurzeln des Punkrock bewegt. Rockmusik, die so sackperfekt produziert wurde, dass ich seit Jahren keinen besseren Sound mehr auf einer Rockplatte gehört habe. Rockmusik, die angesichts ihrer durchaus mainstreamigen Ausrichtung das Zeug dazu gehabt hätte, zu einem legendären Klassiker zu werden, selbst in einer Zeit, in der die Menschen selbige gar nicht mehr fänden, um einen Meilenstein überhaupt noch als solchen zu erkennen/entdecken/feiern. Hausfrauen hätten "Let's Go To Haiti" oder den Titeltrack nach monatelanger Heavy Rotation in Funk und Fernsehen mitpfeifen, ach was: mitsingen können, Schulkinder würden ihre Eltern nicht eher in Ruhe lassen, bis sie Gitarren-, Bass- und Schlagzeugunterricht gleichzeitig bezahlt bekämen, und der große alte Mann des Fickel-Hardrocks, Jon Bon Jovi, der immer noch so jung aussieht und so wunderbare Schmuseballaden schreibt, die ans Herz und in die Hose gehen, würde seinen Fotografen zuraunen:"Make me look like The Exit."
Und dann wache ich auf und sehe, dass alles ganz anders kam. The Exit haben eine vergleichsweise niedrige Anzahl von MySpace-Profilaufrufen, ihre Major-Homepage ist vom Netz genommen, sie wurden trotz des ulkigen Label-Stickers, der sie groß als "Must Hear Artist" deklarierte, zu einem "Must Be Dropped Artist", und diese Platte hier, die ist fast vergessen. Ich möchte an dieser Stelle nicht wie einer der furchtbaren Zeitgenossen klingen, die jeden zurecht unbekannten Schmonz mit einem "In einer besseren Welt wären diese Jungs hier Superstars" kommentieren; dass eine mit solchem Potential gesegnete Scheibe jedoch nahezu keine Sau juckt...das darf mich einfach nur ein bisschen Erstaunen. Darf es nicht?
"Home For An Island" von The Exit ist im Jahre 2005 bei Wind-Up Records erschienen.
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1 Kommentar:
Fisher Z, darling, Fisher Z!
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