29.06.2025

My Nineties Were Better Than Your Nineties - #194: Antonio Forcione - Acoustic Revenge





ANTONIO FORCIONE - ACOUSTIC REVENGE


"News is what somebody somewhere wants to suppress; all the rest is advertising." (Lord Northcliffe)



Neues Theater, Frankfurt-Höchst. Herbst 1993. Auf dem Programm steht ein Duo aus Italien, "Musik & Comedy". Wofür man sich heute die Turnschuhe anziehen würde, in denen man schnell laufen kann, war eine solche Veranstaltung vor 32 Jahren - wir hatten ja nichts! - ein Anlass zur Freude. Im Laufe des Abends stellte es sich heraus: mit Recht. Unser Haufen lachte sich einerseits einen doppelten Leistenbruch und war andererseits vom Talent der beiden Musiker an den akustischen Gitarren tief beeindruckt. Einer der beiden Gitarristen hieß Antonio Forcione, und ebenjener verkaufte am Theatertresen seine damals just erschienene CD "Acoustic Revenge". Um es kurz zu machen: ich brauchte ein Andenken an diesen Abend, und das Album weicht mir seitdem nicht mehr von der Seite. Tatsächlich ist es mit einer ganz besonderen Zeit in meinem Leben verbunden. Über dreißig Jahre später spielt sich vieles von jenen Erinnerungen eher im peripheren Sichtfeld ab, aber einige Bilder und Gefühle zeigen sich trotz der langen Zeit immer noch erstaunlich kraftvoll. Ich erinnere mich sehr deutlich an zwei Momente, in denen ich "Acoustic Revenge" besonders gerne auflegte. Erstens, morgens in der leeren Wohnung, wenn meine Eltern schon auf der Arbeit waren, und ich alle Zeit der Welt hatte, frisch in Zino Davidoff gebadet die Kaffeemaschine zu besetzen, das Rockhard zu lesen, und dabei Musik zu hören. Zweitens, am späten Abend, wenn Freunde (als ob!) zu Besuch waren und die experimentelle Batida-Kirsch:Metaxa-Mischung nebst einer Riesentonne Kartoffelchips gereicht wurden. 

Antonio Forcione, im Süden Italiens geboren und aufgewachsen, lebt seit den 1980er Jahren in London und spielte im Laufe seiner Karriere mit einigen der größten Musiker unserer Zeit; hier sei speziell auf die fantastische Zusammenarbeit mit dem Bassisten Charlie Haden verwiesen, aus der im Jahr 2006 das Album "Heartplay" entstand. Auf "Acoustic Revenge" vereint er mit seinen Mitmusikern Davide Mantovani am Bass und Peter Lockett (Percussion) stimmungsvollen Jazz mit virtuosen Latin- und Flamenco-Elementen, mal lebhaft, meist melancholisch und träumerisch, immer poetisch. Irgendwie nahm ich selbst in den introspektiven und intimen Momenten seiner Musik auch immer eine vibrierende Spannung wahr, eine Lust auf die Erwartung, auf den Aufbruch. Vielleicht war's auch nur die Reflektion meines Lebensgefühls in den frühen neunziger Jahren - und selbst wenn: genau darum geht's hier doch so oder so. 

Höhepunkt dieser mir so arg am Herzen festgewachsenen Platte ist der dramatische Abschlusstrack "Heart Beat", der sogar eine kleine Stimmungsexkursion in den Rockbereich eingehäkelt bekam.  


Vinyl und so: Die Chance für einen Vinylrelease von "Acoustic Revenge" stehen bei optimistischen 0%, nun ist aber auch die Zielgruppe dieses Genres nicht gerade bekannt dafür, aus Schallplattennerds zu bestehen. Die CD wurde 2010 vom NAIM Label wiederveröffentlicht und gibt's für rleativ kleines Geld zu erwerben. Tipp: In Second Hand-Läden Ausschau halten nach Antonios früheren Arbeiten mit dem spanischen Gitarrist Eduardo Niebla. Die Alben erschienen in den 1980er Jahren und allesamt auf Vinyl. Besonders empfehlenswert: "Celebration" aus dem Jahr 1987.


 



Erschienen auf Inspiration Studios, 1993.


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