31.08.2007

A Cuddly Place In Megacity



Wenn mir eine Platte innerhalb der letzten zwei Wochen vor allem in nächtlichen Sitzungen vor der Anlage gehörig den Kopf verdrehte, dann war es Benfays "Born On A Houseboat". Zwar stieß ich eher zufällig auf diesen MP3 Release, war aber bereits nach wenigen Sekunden des Openers "Breaching The Escarp" Feuer und Flamme für einen Sound, der mit erstaunlicher Tiefe und gemächlichem Stolz seine Kreise zieht.

Der Schweizer Multiinstrumentalist Benfay hat seine Minimal House-Grooves in einen warmen, lichtdurchfluteten Fluss gebracht und scheint sich wie selbstverständlich darüber im Klaren zu sein, wieviel Teile Melancholie und Unbekümmertheit in seine Tracks gehören. So zaubert der Mann, der Free Jazz als seine erste Besessenheit bezeichnet, innerhalb dieser knapp 30 Minuten ein stimmungsvolles, urbanes Werk auf den Laser, das zwischen den beständigen Beats, antreibenden und doch entspannten/entspannenden Basslines, simplen, kleinen Melodien und gewitzten Einfällen keinen nennenswerten Unterschied macht, sondern viel eher auf Vereinigung im großen Ganzen besteht. Benfay sieht folgerichtig das "Houseboat" als Metapher für eine "floating community sharing a love for one style of music."
Es knistert, es groovt, es ist von eine von grundauf positive, verbindende Musik.

Die EP kann auf der Thinner Homepage kostenlos heruntergeladen werden. Dort besteht auch die Möglichkeit via Paypal Geld zu spenden.


"Born On A Houseboat" ist am 23.7.2007 auf Thinner erschienen.


27.08.2007

New World Tanzboden


Möglicherweise habe ich mich in "Journeyman's Annual" etwas getäuscht. Die Erwartungshaltung an die Ausrichtung des vierten Albums von Scott Monteith und seinem Deadbeat-Projekt war offenbar zu stark von der hervorragenden, hoch im Nebel stochernden "Wild Life Documentaries"-Scheibe aus dem Jahr 2002 geprägt. So kam zunächst die Überraschung, dann die Enttäuschung und später die Versöhnung mit einer Platte, die einerseits für die feinen und doch massiven, dubbigen Tiefbasstunes mit dem sorgsam dosierten Ethno-Touch etwas mehr Zeit einfordert, andererseits sich mit insgesamt vier Vocaltracks deutlich in Richtung Dancefloor und Dancehall bewegt.

Letzteres sorgt zwar für eine angenehme und auch wünschenswerte Weiterentwicklung des Deadbeat-Sounds, persönlich wird mir aber das pulsierende, malmende Funkeln der übrigen Tracks durch die Ragga-beeinflussten Vocaleinsätze zu schroff auseinandergerissen. Ausnahme ist der kurzweilige Remix von Saul Williams' "Black Stacey", der als Bonustrack am Schluss des Albums steht und dessen Beat sich vorzüglich mit dem verhallten Soundgewand Monteiths vermählt.

"Journeyman's Annual" ist die bisher wohl konkreteste Arbeit des Kanadiers. Tanzbarer und noch tiefer grollend, hält sie sich irgendwo zwischen Club, Chill-Sofa und den (Regen)Wolken auf.

"Journeyman's Annual" ist am 15.6.2007 auf Scape erschienen.

23.08.2007

Don't Tell Me They're The Same



Ich komme ja als alter Fan doch nicht um ein paar Worte zu der aktuellen Veröffentlichung von Bad Religion drumherum. Nun, so sei es.

"New Maps Of Hell" bekommt völlig zu Unrecht den "Wir wollten es nochmal wissen, wir klingen wie in alten Tagen, wir sind so wütend"-Stempel aufgedrückt und platziert sich in der mittlerweile sowohl qualitativ als auch quantitativ durchaus als stattlich zu bezeichnenden Diskografie der Band eher im unteren Drittel. In Alben gesprochen heißt das: man orientiert sich hinsichtlich der Qualität an Durchschnittswerken wie meinetwegen "The Process Of Belief" (2001) und kommt im Leben nicht an die großen Klassiker der späten 80er oder frühen 90er Jahre heran.

Und weil "New Maps Of Hell" allenthalben als die geilste Scheiße seit dem Brand von Rom bewertet wird, habe ich zur Sicherheit und meinem journalistischen Auftrag folgend, das letzte Studioalbum "The Empire Strikes First" aus dem Regal gezogen und guck an: die bummst seltsamerweise immer noch sämtliche lahmen Versuche des nunmehr Sextetts seit der unterschätzten "The Gray Race"-Scheibe (1996) in den Staub. "New Maps Of Hell" mangelt es an einer authentischen Produktion, an Hits, einfach an diesem ganz besonderen Quentchen Biss und Feeling in den Melodien und Gesangslinien. Der Vorgänger hatte diesen X-Factor selbst in den meist ungeliebten Schnarchsack-Stücken in Hülle und Fülle, "New Maps Of Hell" ist dagegen leider nur Durchschnittskost im Bad Religion-Kosmos. Das ist an sich noch nicht mal schade, so langsam wird es sogar ein klein bisschen egal.

Bad Religion - New Maps Of Hell ist am 6.7.2007 auf Epitaph erschienen.

20.08.2007

Time Is Birds Passing By


Am frühen Morgen des 4.Juli 2005 betraten die drei Jazzmusiker Lars Danielsson (Bass), Nils Landgren (Posaune) und Christopher Dell (Vibrafon) das Installationskunstwerk "Music On The Water" auf dem Salzauer Schlossteich. Das JazzBaltica-Festival war gerade mal seit ein paar Stunden Geschichte, als das Trio seine Instrumente innerhalb des offenen Klangraums aufbaute. Entwickelt von den beiden Künstlern Ilya Kabakov und Vladimir Tarasov, hängen in der Dachkonstruktion Alltagsgegenstände wie Messer und Gabeln nebst Metallstäben an Stahldrähten und ergeben sich der Laune des Windes. Fenster und Türen existieren nicht, nichts hält ihn auf.
Im Hintergrund zwitschern die Bewohner des Schlossparks ihr Guten Morgen an einen gerade
erwachenden Tag. Es ist fünf Uhr in der Früh, die Schwäne und Enten zetern ob der ungewohnten Geräusche. Die aufgehende Sonne spendet die ersten wärmenden Strahlen, es duftet nach frischer, grüner Natur.

Aus dieser ganz besonderen Begegnung entsteht eine friedliche, fast meditative Stimmung, ruhig und ehrfurchtsvoll. So intim, dass man das Anblasgeräusch von Landgrens Posaune zwischen dem Summen von Hummeln und Bienen klar und deutlich vernimmt, während der Sound des Morgens durch die Installation schwebt. Eine einzigartige Zusammenführung von Klang und Raum, die zwar zur Albummitte für meinen Geschmack und für kurze Zeit ein wenig zu lebhaft wird und damit den Fluss von "Salzau Music On The Water" etwas ausbremst, als Projekt und Idee jedoch zu einer der spannendsten und kraftvollsten Jazzplatten zählt, die ich kenne.

Danielsson, Dell, Landgren - Salzau Music On The Water ist im Jahre 2005 auf ACT erschienen.

05.08.2007

Von der Leichtigkeit des Black Metal

Sollten Sie gerade ein paar Minuten Zeit haben und dem unten stehenden Link folgen, entdecken Sie ein Interview mit Archer Prewitt, dem Gitarristen der amerikanischen Band The Sea And Cake.

Ich konnte das Gespräch mit diesem außergewöhnlich ausgeglichenen Menschen im Rahmen der Europatournee der Band führen. Es war ein ganz besonderer Tag.

http://www.tinnitus-mag.de/interviews.php?id=272