05.04.2010

2000-2009 #17: The Sea And Cake - Car Alarm


Wenn ich meiner in früheren Besprechungen geäußerten Beobachtung folgen will, muss "Car Alarm", das immer noch aktuelle Album von The Sea And Cake aus dem Jahr 2008 in dieser Bestenliste auftauchen - und nicht wie ursprünglich geplant "Everybody" aus dem Jahr 2007. Wann immer eine neue Scheibe der Postrock-Institution aus Chicago erscheint, ist es für mich auch gleichzeitig ihr bis dato bestes Werk, demnach wäre es inkonsequent, nun den Vorgänger zu erwähnen. Aber ich muss schon zugeben: ich habe innerlich den ein oder anderen Ringkampf gerungen.

Trotzdem ist es am Ende eine gute und stimmige Entscheidung, denn das Quartett klingt auf "Car Alarm" so perfekt wie noch nie - und das will was heißen. Natürlich sind auch überragende Songs wie "On A Letter" oder "Pages" gute Argumente für eine entsprechende Auswahl, aber im Grunde hatte auch "Everybody" brilliante Stücke im Gepäck, ich denke da nur an den Opener "Up On Crutches" oder das weich-schummrige "Coconut". Die Nasenlänge, die "Car Alarm" in Sachen Songwriting vorne liegt ist geschenkt, wir sprechen hier von winzigen Nuancen und die Bewertung derselben sind nicht selten tagesformabhängig. Was mich jedoch an "Car Alarm" nach diesmal etwas länger andauernden Eingewöhnungszeit so faszinierte (und mich außerdem bis heute fasziniert) ist wie es ihnen gelang, ihren unverwechselbaren Klang derart tadellos ein zu fangen. Aus produktionstechnischer Sicht ist "Car Alarm" eine Meisterleistung. Die Band schwebt selbst in den etwas ruppigeren Momenten nur so dahin, ist immer bei sich, megakompakt, kommuniziert ohne Unterbrechung miteinander, spielt sich die Bälle zu, nimmt andere auf, immer souverän aber nie abgeklärt, immer präsent aber nie aufdringlich. Ganz wie es ihrer Natur entspricht, vollzieht sich die Weiterentwicklung immer auf subtilstem Niveau, die harten Brüche und naiven Interpretationen überlassen sie anderen. Im Rückblick muss vermutlich die lange Pause zwischen "One Bedroom" (2003) und "Everybody" (2007) als Meilenstein der Sinn- und Soundsuche gefeiert werden. Wo die Frühwerke wie das selbstbetitelte Debut, "Nassau" oder das ebenfalls großartige "Oui" noch von einem spröden Selbstvernachlässiger-Charme getragen wurden, wo nicht selten eine immer leicht scheppernde, verzerrte Indie-Ästhetik im Vordergrund stand, konnte der auf "One Bedroom" geschärfte, aber weitaus elektronischere Ansatz in den vier Jahren bis zum Comeback auf ein Gitarrenkonzept umgesetzt werden. Gitarrist Archer Prewitt gab im Interview, das ich vor drei Jahren mit ihm führen konnte, auch folgerichtig zu, dass er mit der elektronischen Ausrichtung von "One Bedroom" nicht hunderprozentig einverstanden war - aus der Sicht eines Gitarristen, wie er schnell anfügte, weil er eben viel weniger zu spielen hatte als zuvor.

Irgendetwas muss also in diesen vier Jahren geschehen sein. The Sea And Cake klingen seit "Everybody" anders - nennen wir es professioneller, runder, stimmiger. Und die Entwicklung ist für "Car Alarm" nicht abgebrochen, ganz im Gegenteil. Sie schafften den größten Sprung auf den denkbar sublimsten und feinsten Pfaden. "Car Alarm" erstrahlt in Größe.

Erschienen auf Thrill Jockey, 2008

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