KLEEFSTRA, BAKKER, KLEEFSTRA- GRIIS
Die Brüder Jan & Romke Kleefstra und Anne-Chris Bakker erschaffen auf "Griis" einerseits karge, andererseits eindringliche Musik, die Tiefe, Leere und Melancholie auf vibrierende Soundscapes von elektrischen Gitarren bettet. Dazu rezitiert Jan Gedichte auf Friesisch, einem hakeligen und fremdartig klingenden Dialekt, der die Kraft hat, die Figur und Richtung der im Vorfeld aufgebauten Musik zu lenken und neu zu interpretieren. Das niederländische Trio hat dabei viel Gespür für Raum und Zeit, und wenn ich nun sagen würde, dass es vor allem die beiden Gitarristen verstehen, durch viele aquatische Nuancen eine einzigartige Wellenbewegung in den Klangwall einzubringen, dann wäre das lediglich die halbe Wahrheit: auch Jans Poesie kommt zu exakt getimten Momenten. Das klingt alles nach einem großen Masterplan und das ist in der Ausprägung nicht nur überraschend, sondern auch verflixt schön dargestellt.
Erschienen auf Low Point, 2011.
JASON URICK - I LOVE YOU
Na, schon eine Rezension zu Jason Uricks "I Love You"-Album gelesen, die nicht auf den Titel und die Geschichte dahinter eingeht, und die sich nicht spannende Querverweise auf Coverartwork ausdenkt? Dumm nur, dass sich nun auch dieser Paarzeiler (beanspruche Copyright!), den du gerade liest, in diese Gruppe einreiht, "sauber ins Knie g'fickt."(Priol). Kann man sich eigentlich in Gruppen einreihen? Sei's drum: man darf "I Love You" zweifellos als abstrakt empfinden, wenn das Pulver mit Titelinterpretation und dem Rezitieren des Labelinfos nicht schon verschossen wurde. Urick vergräbt indes unter unwirklich und teils gar furchteinflößenden Sounds eine ganz und gar unabstrakte Idee. Er wirbelt und wiederholt, er tanzt, ab und zu erkenne ich einen Om-Shanti-Groove, Afrika, Cluster und Schnitzler, ein bisschen Jazz und eben vor allem: Einheit. Das einleuchtendste Merkmal dieses immerhin subtilen Werks ist seine Umarmung dessen, was ist - und das ist zu hören, egal an welcher Stelle die Nadel auf die Platte plumpst. Da saß nicht in einer verträumt-romantisch am Schlafzimmerlaptop und haut ein paar Spuren und Samples übereinander; auf mich macht Uricks zweites Soloalbum den Eindruck, als hätte da etwas in der Mitte seines Körpers geglüht, das er mit einigem Winden und Kämpfen in die fassbare Realität schieben musste. Mit ausgebreiteten Armen.
Erschienen auf Thrill Jockey, 2012.
BITCRUSH - OF EMBERS
Ich möchte dem geneigten Leser schlussendlich ein Album aus dem Jahr 2010 ans warm-schmatzende Herz legen, das mir auf meinem Blog bisher etwas unterrepräsentiert erschien. Genau genommen ist es nicht nur auf diesem Blog unterrepräsentiert, sondern auch in meiner Playlist, und bei jedem der bisherigen Berührungspunkte frage ich mich gleichzeitig, warum das wohl so ist. Teile von "Of Embers" müssten mir im Grunde so gut reinlaufen wie ein Fass selbstgemachtes Basilikumpesto. Mike Cadoo hat eine progressive Form des Ambient Post Rocks entwickelt, dessen Schwerpunkt bei aller Abstraktion auf traditionellem Songwriting und dem Lemma "Rock" liegt. Die Saitenfraktion vibriert tief und mollig, im Unterholz entfalten sich Feedback-Drones und Schwebeharmonien, und Cadoo nuschelt am Frittenstand ziemlich weit draußen seine Wahrheiten. Soweit ist das schön und im Fluss. Aber, und damit beantworte ich mir die weiter oben gestellte Frage selbst, da gibt es noch das (programmierte?) Schlagzeug, das mir einen Schmiss zuviel Rahmen und Ordnung reinbringt. Zusammen mit der Stimme mündigt "Of Embers" somit in eine ziemlich konventionelle Soße, die mir persönlich zuviel mit der fünften oder siebenhundertsten Welle von Post Rock-Bands flirtet. Das klingt härter, als es gemeint ist - vielleicht möchte der ein oder andere mal ein Ohr riskieren, wenn sich zwischen Downloads, Facebook, Twitter und Webzines noch ein kleines, noch nicht vollständig geschlossenes Zeitfenster auftut. Ich bin mir sicher, dass "Of Embers" seine Anhänger finden kann.
Erschienen auf N5MD, 2010.
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