23.05.2010

The Beard Is Out There! - V


Das fünfte Studioalbum der "Locker wie Frischkäse"-Buben aus Kalifornien sorgte für die ersten Haarrisskratzer auf der bis dahin strahlenden Fassade, ist allerdings in meinen Augen lediglich um Nanopartikelchen schwächer als die vier Vorgänger.

Hatte die Band bis dato nicht einen nur-beinahe-perfekten Song geschrieben, gab es auf "V" das erste ganz, ganz kleine Stirnrunzeln. Gewohnt-geniale Tracks wie das mit massiven Hooklines ausgestattete "At The End Of The Day", das einem schon nach erstmaligem Hören schon nicht mehr aus dem Kopf fallen will oder der 26-Minuten-Klumpen "The Great Nothing", der locker in einer Reihe mit "The Water" oder "The Light" steht, hätten gleichfalls auf den Vorgängern für Begeisterung gesorgt. Die Problemchen beginnen hingegen mit dem für Beard-Verhältnisse tonnenschweren "Revelations" und dem "Thoughts"-Nachglüher "Thoughts Part 2", die beide erstmals etwas im Klischee festgeleimt wirken. Besonders "Thoughts Part 2" wirkt wie eine bloße Frickel-Schau, die Spock's Beard bis dahin niemals nötig hatten. Fraglos waren sie technisch immer mehr als nur state-of-the-art, aber sie mussten nie die Muskeln spielen lassen, sie überdeckten ihre brillianten Fähigkeiten eben lieber mit überlebensgroßen Songs. 

"Revelation" andererseits ist in der Stimmung und Anlage fast schon zu sehr Metal, zwangsläufig zu deutlich und offensichtlich und damit in der Wirkung einfach zu plump. Das kannte man bisher nicht von Morse - aber andererseits: da sich die Anhängerschaft, zumindest in Europa, fast ausnahmslos aus der Metalszene rekrutierte, wollte man dem Mob eben ein bisschen Fresschen hinwerfen, das weitgehend problemlos verarbeitet werden konnte. Die beiden Beard-typischen Ohrenschmeichler "All On A Sunday" und "Say Goodbye To Yesterday", die das Album komplettieren, sind solides, wenn auch nicht überragendes Futter für die Fangemeinde.  

Was sich im Vergleich mit den Vorgängern wie ein Verriss liest, ist bei Licht betrachtet ein immer noch sehr, sehr starkes Album mit einigen echten Höhepunkten und eineinhalb minimalen Absackern. Heißt in Gänze: Mein fünftliebstes Spock's Beard-Album. 

Den Verriss könnte ich für den überambitionierten und deswegen ganz schön in die Hose gegangenen Nachfolger "Snow" schreiben, nach dessen Erscheinen Neal Morse seinen Hut nahm und die Band verließ. Da Verrisse aber stinklangweilig sind, lass ich's bleiben. Lieber die ersten fünf Sahnealben in Endlosschleife hören. 

Erschienen auf InsideOut, 2000

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